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Schweiz/Ausland
23.02.2022

«Deutlich mehr Besucher seit Lockerungen»

Thomas Kirchhofer, Direktor St.Gallen-Bodensee Tourismus, Gloria Weiss, Leiterin Kommunikation Kunstmuseum, und Cornel Dora, Stiftsbibliothekar. Bild: zVg
Seit knapp einer Woche gibt es in der Schweiz keine Zertifikats- und Maskenpflicht mehr. Wie erleben Kultur- und Tourismusbetriebe die «neue Normalität»? Und wie blicken sie in die Zukunft? stgallen24 hat nachgefragt.

Ab dem 13. September 2021 galt nicht nur in Restaurants und Bars die Zertifikats- und Maskenpflicht, sondern auch in Museen und Theatern hiess es: QR-Code scannen und nur jenen Zutritt gewähren, die geimpft oder genesen sind. Letzte Woche hob der Bundesrat diese Massnahmen auf und die St.Galler Kulturbetriebe haben die ersten Tage mit den grossen Lockerungen hinter sich. Zeit für ein Rück- und Ausblick.

Mehr Touristen im Sommer

Keine Probleme mit der Zertifikats- oder Maskenpflicht hatte das Textilmuseum. Die Massnahmen seien von den Besuchern im Grossen und Ganzen gut akzeptiert worden, wie Silvia Gross, Leitung Kommunikation des Textilmuseums, gegenüber stgallen24 sagt. «Das mag auch daran liegen, dass das Textilmuseum – wie viele andere Museen auch – einen hohen Anteil von älteren Besuchern aufweist, für welche die vom Bund verhängten Massnahmen nicht nur Einschränkung, sondern auch Sicherheit bedeuteten.» Lediglich eine Handvoll Personen habe von einem Besuch abgesehen.

Mit den kürzlich umgesetzten Lockerungen hofft das Textilmuseum, dass die Besucherzahlen dennoch steigen und der Ausstellungsbesuch ungetrübt von Masken-, Distanz- und Hygieneregeln genossen werden kann. «Wir rechnen insbesondere in den Sommermonaten mit mehr Touristen aus dem nahen Ausland.»

Zum einen hofft das Museum auf eine Zunahme des Bodenseetourismus und auf mehr Schulklassen, aber sie würden sich freuen, in Zukunft auch wieder Gäste aus weit entfernten Ländern empfangen zu dürfen. «Hier sind wir jedoch etwas skeptischer, da die weltweite Dynamik der Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen schlecht einzuschätzen ist.»

«Wir hoffen, dass der Ausstellungsbesuch ungetrübt von Masken-, Distanz- und Hygieneregeln genossen werden kann.» Bild: zVg

Auch wenn jetzt keine Zertifikatspflicht mehr gilt, verbuchte das Textilmuseum am letzten Wochenende nicht höhere Besucherzahlen verglichen mit der Vorwoche. «Wir bieten im Moment nur ein eingeschränktes Programm, da wir die Sonderausstellung umbauen. Von daher können wir keine Aussagen zu den Besuchszahlen machen.»

Trotzdem war die Stimmung bei den Besuchern gut. «Sie freuen sich darüber, kein Zertifikat mehr zeigen zu müssen und sich ohne Maske im Museum bewegen zu können.» Einige Besucher seien trotzdem mit Maske gekommen.

Probleme mit Nicht-EU-Zertifikaten

Etwas negativer erlebte die Stiftsbibliothek die Zertifikatspflicht. «Das Prüfen der Zertifikate an der Kasse war mit erheblichem Zeitaufwand verbunden. Bei höherem Andrang konnte es zu Schlangenbildung kommen», so Stiftsbibliothekar Cornel Dora.

Besonders Probleme hätten die Zertifikate von Touristen aus Übersee bereitet. Ihre Zertifikate hätten nicht in ein EU- beziehungsweise CH-Zertifikat umgewandelt werden können. Dementsprechend mussten sie dann auch abgewiesen werden. Die Maske hingegen hat nur die Kommunikation erschwert. «Wir sind froh, dass sie jetzt wegfällt.»

Optimistisch sieht die Stiftsbibliothek den Bundesratsentscheid von letzter Woche. «Wir gehen davon aus, dass sich der Entscheid positiv auswirken wird.» So rechne man in den kommenden Wochen mit mehr Gästen – zunächst vor allem aus Österreich und Deutschland. «Der Wegfall von Einschränkungen in der Schweiz ist diesbezüglich ein Vorteil», so Dora.

Stiftsbibliothekar Cornel Dora Bild: LEADER - das Unternehmermagazin

Vom 12. bis zum 19. Februar stellt die Bibliothek einen Besucherzuwachs von 70 Prozent fest (von 250 auf 426 Gäste). Dieser müsse aber noch konsolidiert werden. «Die 426 Gäste am 19. Februar sind auch im Vergleich zu vor der Pandemie ein hoher Wert, der beispielsweise im Februar 2019 nie erreicht wurde.»

Die Stimmung der Besucher sei je nach persönlicher Situation und je nach der Politik im Heimatland meist erleichtert, gelegentlich auch verunsichert gewesen, so Dora weiter. Aber die meisten hätten auf eine Maske verzichtet. Für die Zukunft hofft Dora, dass der Aufwärtstrend weitergeht, die Pandemie tatsächlich überwunden ist und sich das umliegende Ausland ebenfalls zur Öffnung entscheidet.

Grosser Hunger nach Kunst und Kultur

«Ich kann mir gut vorstellen, dass es doch wenige Leute gibt, die aufgrund der Massnahmen und den hohen Ansteckungszahlen öffentliche Orte wie ein Kunstmuseum gemieden haben», so Gloria Weiss, Leiterin Kommunikation des Kunstmuseums St.Gallen.

Jedoch seien die Massnahmen für Schulklassen kein Hindernis gewesen: «Wir haben in den letzten Wochen sehr viele Kinder und Jugendliche im Kunstmuseum St.Gallen und in unserer zweiten Spielstätte, der Kunstzone in der Lokremise St.Gallen, empfangen dürfen. Auch unsere Veranstaltungen waren bisher gut bis sehr gut besucht. Der Hunger nach Kunst und Kultur scheint gross zu sein!»

Letztes Wochenende hatte das Kunstmuseum sowie die Kunstzone in der Lokremise auffällig viele Familien und junge Personen zu Besuch. «Das muss aber nicht zwingend mit der Aufhebung der Zertifikats- und Maskenpflicht zusammenhängen. Die ‹Besuchendenwellen› sind stark abhängig von verschiedenen Faktoren – es ist daher immer schwierig einzuschätzen, warum wir wieder einmal mit einem grossen Besuchendenansturm beglückt werden.»

Gloria Weiss, Leiterin Kommunikation Kunstmuseum und Kunstverein St.Gallen. Bild: zVg

Ob nun auch mehr Gäste aus dem Ausland kommen, sei laut Weiss schwierig einzuschätzen. «Vielleicht braucht es noch eine Zeit, bis auch die anderen Nachbarländer mit der Aufhebung der Massnahmen nachziehen. Aktuell ist es vielleicht noch ein Nebeneinander von Realitäten, das nicht sehr einfach überbrückt werden kann.»

Künftig hofft das Kunstmuseum auf das gleiche wie immer: «Viele Besuchende, die den Weg in unser Museum, in die Kunstzone der Lokremise oder das benachbarte Kirchhoferhaus finden oder gar unsere Vermittlungs- und Veranstaltungsangebote nutzen – und aufgrund der schönen Eindrücke und Erlebnisse bereits den nächsten Besuch bei uns planen.»

«Positive Energie mitnehmen»

Als Fluch und Segen zugleich bezeichnete Thomas Kirchhofer, Direktor von St.Gallen-Bodensee Tourismus, die damals eingeführte Zertifikatspflicht. «Das Zertifikat hatte einerseits zum Teil dramatische wirtschaftliche Auswirkungen auf die Branche, stellte aber auch dank einer Regulierung eine gewisse Ruhe und Planungssicherheit dar.»

Die Branche freue sich nun enorm über den Öffnungsentscheid. «Durch die Aufhebung der einschränkenden Massnahmen und die explizite Ermutigung der Bevölkerung, ihre Ferien in der Schweiz zu planen, schafft der Bundesrat Planungssicherheit und die Voraussetzungen, um die negativen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Branche in der Sommersaison zu verringern.»

Das wirtschaftliche Umfeld bleibe aber weiterhin schwierig und die touristische Nachfrage werde eher zögerlich wieder anziehen, so Kirchhofer weiter. Die für St.Gallen und die Region bedeutenden ausländischen Touristen, insbesondere aus den Fernmärkten, würden auch dieses Jahr noch wenig anzutreffen sein.

Thomas Kirchhofer, Direktor von St.Gallen-Bodensee Tourismus. Bild: zVg

Der Bundesrat stelle bekanntlich umfassende Grenzöffnungen per 6. Juli in Aussicht. Erst per diesem Datum sei eine langsame Normalisierung des Reiseverkehrs zu erhoffen. «Wir sind sehr erfreut, dass damit die Möglichkeit besteht, dass zumindest europäische Gäste bereits im Sommer wieder vermehrt unsere Region besuchen werden.»

Auch werde der Geschäftstourismus 2022 keine merkliche Belebung erfahren. «Bei den Seminaren erhoffen wir uns etwas bessere Aussichten.»

Für die kommenden Wochen erwartet Kirchhofer, dass man diesen positiven Schwung und die damit verbundene positive Energie mitnimmt. «Jetzt, wo es wieder losgeht, stehen alle mit vielen guten Ideen am Start. Die überzeugendsten und glaubwürdigsten Gastgeber und Attraktionsanbieter werden den Unterschied machen.»

Aber nur weil die Beschränkungen weitgehend aufgehoben wurden, dürfe man nicht tatenlos die Rückkehr der Normalität erwarten. «Harte Arbeit, Innovationskraft und Agilität sind gefordert. Neue Faktoren bestimmen das Reise- und Freizeitverhalten.»

So sei beispielsweise die Gesundheitssicherheit bei den Entscheidungsfaktoren für Reisen in den Vordergrund gerückt. Neben den passenden Angebotskorrekturen erfordere dies von den Anbietern die Fähigkeit, Sicherheit mit ausreichender Zuverlässigkeit und Glaubhaftigkeit zu kommunizieren, sagt Kirchhofer abschliessend.

pez/stgallen24/Goldküste24