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Kommentar
Freizeit
03.12.2022

Cashless macht wenig Weihnachtsstimmung

Birgt «Cashless» weniger Weihnachtsstimmung? (Symbolbild) Bild: Patricia Rutz
Das Weihnachtsdörfli auf dem Sechseläutenplatz mit seinen vielen Lichtern, dem grossen, wunderschön geschmückten Weihnachtsbaum und den roten Häuschen ist nicht zu übersehen.

Nach einem Termin in Zürich schlenderte ich entlang dem Weihnachtsdörfli am Sechseläuteplatz. Mit den kleinen roten Häuschen, den vielen Lichtern und dem wunderschön mit Kugel geschmückten Weihnachtsbaum kommt etwas Weihnachtsstimmung in mir auf.

Zuerst bin ich fasziniert vom Weihnachtsträmli, das ich aus der Kindheit kenne. Es war immer sehr geheimnisvoll mit den beiden Engeln und dem Samichlaus als Chauffeur eine Runde im Trämli zu drehen. Es sieht immer noch gleich aus, hat sich nicht verändert. Es löst in mir Weihnachtsnostalgie aus.

Ein paar Schritte noch zum Weihnachtsdörfli. Viele Menschen kommen mir entgegen und tummeln sich im Dörfli. Es sind mir fast zu viele Menschen. 

Das gute alte Weihnachtsträmli Bild: Patricia Rutz

Mehrkosten durch «Cashless»

Im Vorfeld habe ich erfahren, dass im Weihnachtsdörfli nur bargeldlos bezahlt werden kann. Als Redaktorin entging es mir nicht, dass nicht alle Marktfahrer und -besucher darüber hocherfreut sind. Marktfahrer in Küsnacht sagten, dass die Anschaffung der drahtlosen Bezahlung nicht ganz billig ist und auch die Kartengebühren auf die zu verkaufenden Waren abgewälzt werden müsse. Dies ist jedoch nur der finanzielle Aspekt.

Viele ältere Menschen sind nicht besonders erfreut über diese Entwicklung. Sie sind nicht mit dem Handy und der Kreditkarte aufgewachsen und mögen schlicht und einfach die Bargeldbezahlung. Mein Vater zum Beispiel holt immer noch ganz gern am Bancomat seine wöchentliche Ration an Bargeld. Er hat eine gewisse Übersicht, da er genau feststellen kann, wenn kein Geld mehr im Portemonnaie ist.

Noch ein paar Schritte bis zum Weihnachtsdörfli. Bild: Patricia Rutz

Schwatzen und feilschen

Bargeld ist ein Tauschmittel. Für eine gewisse Leistung bekomme ich Bargeld als Gegenleistung. Der Markt war ein Tauschhandelsplatz. Für mich ist er der Ursprung der modernen Einkaufsgeschäfte, wo kein Feilschen mehr möglich ist. Früher konnte ich dem Anbieter ein Gegenangebot machen. Der Preis war noch verhandelbar. Vielleicht hatte die Ware für mich einen Mängel, und man sprach darüber. Manchmal war es auch möglich, etwas aus seiner eigenen Produktion dazuzutun. Durch «cashless» ist das alles Geschichte.

Früher waren die Preise angeschrieben ersichtlich. Doch am Weihnachtsmarkt waren vielerorts die Preise nicht mehr mit einem Preisschild versehen. Die Marktfrau von diesem Stand war nicht ansprechbar. Es interessierte sie offenbar nicht, was und für wieviel sie ihr Produkt verkaufen konnte. Das hielt mich ab, die Amaretti zu kaufen. Wenn ich schon nicht mehr handeln kann, dann möchte ich zumindest wissen, was ich bezahlen muss.

Der geschmückte und lichterfüllte Christbaum löst Weihnachtsstimmung aus. Bild: Patricia Rutz

Nostalgisch hochmodern

Ein Weihnachtsmarkt hat für mich auch einen nostalgischen Wert. Ich habe sofort Bilder von früher im Kopf, als der Markt ein zentraler Punkt im Dorf war, man traf sich dort, schwatzte etwas, trank Kaffee und zog weiter. Das Feilschen löste Diskussionen aus und trug zur Lebendigkeit bei.

Ich empfand den Weihnachtsmarkt als Scheinwelt. Nostalgisch aufgezogen und hochmodern geführt. Es entging mir nicht, dass er auch gut bewacht war. Ich erinnerte mich an letztes Jahr, als gewisse Menschen, nämlich Ungeimpfte, gar keinen Zutritt hatten ohne Zertifikat. Sie wurden ausgegrenzt. Ich habe es nicht vergessen und irgendwie scheint mir, als hätte die Weihnachtszeit für mich nicht mehr die Bedeutung wie noch vor ein paar Jahren. 

Priceless, cashless – keine Kauflust

Ich kaufte gar nichts im für mich aufgezogenen Weihnachtsdörfli. Es machte mich nicht an, auch wenn eine heimelige Athmosphäre mir vorgegaukelt wurde. Ich empfand es so. «Priceless und cashless» ist für mich zu technisch. Zumindest am Weihnachtsmarkt darf es noch Althergebrachtes haben. Wir Menschen brauchen Nostalgie, da bin ich mir sicher. Für mich manchmal der Inbegriff einer heilen Welt. Durchaus ist mir bewusst, dass dieses Bild von mir verschönert wird. Die Zeiten waren damals wie heute nicht immer rosig.

Ein anderer fahler Beigeschmack kam gestern auf, da ich um das Thema Bargeldabschaffung weiss. Unabhängig meiner Meinung fällt mir einfach auf, dass ich nicht mehr selbst entscheiden kann, wann ich bar oder mit der Karte bezahlen möchte. Am Weihnachtsmarkt wurde kein Bargeld angenommen. Das stört mich. Ich fühle mich in meiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Da rutsche ich schon in ein anderes Politikum, über das ich mir gerne ein anderes Mal Gedanken mache.

Vielleicht lohnt es sich auch einmal, an unsere Eltern und Grosseltern zu denken, die bald auch ihr Busticket nicht mehr mit Bargeld im Bus lösen und die gestrickten Socken schon jetzt nicht mehr mit ihrem ersparten 50er Nötli am Markt kaufen können.

Patricia Rutz/Goldküste24