- Heier Lämmler
Einer fehlt im diesjährigen, wunderbaren Programm des Weihnachts-Circus Conelli! Gaston Hänni (71), der Clown. Im dicken Programmheft zum 40-Jahre-Jubiläum ist er zwar noch mit seinem langjährigen Bühnenpartner Roli angekündigt. Doch der Mann mit dem berühmtesten Ohrfeigen-Gesicht der Schweiz muss in dieser Saison passen. Wenige Wochen vor der Premiere ereilte ihn eine schwere Lungenkrankheit mit grossen Infektionsrisiko. Und Corona suchte ihn dann grad auch noch heim. Ein schwerer Schlag für ihn, für Roli, ja für die ganze Conelli-Familie, die zurzeit aus 110 Mitarbeitern besteht (Artisten, Musiker, Sänger, Tänzer, Techniker, Bühnenarbeiter und alle -innen sind da auch eingeschlossen).
Traurig nur hinter den Kulissen
Melancholie oder Traurigkeit sieht man Roli Noirjean (46), wie er mit bürgerlichem Namen heisst, in der Öffentlichkeit nicht an. Seit Mitte November spielt Conelli, nach fast drei Jahren pandemiebedingter Pause, endlich wieder auf der Zürcher Barockinsel Bauschänzli. Schon beim Eingang ins Zelt trifft man auf Roli, weil er in dieser Saison keine rote Nase und keine riesigen Schuhe trägt, ist er aber nicht sofort als Clown erkennbar. Roli ist nun der freundliche, grosse Herr im Frack, der das Publikum stilvoll und herzlich begrüsst, die Tickets kontrolliert und auch dafür schaut, dass jede und jeder von den Tänzerinnen ein Sternli auf die Wange geklebt erhält. Dass Gaston ausfällt, hatte sich in Zirkuskreisen rasch herumgesprochen. Oft hörte Roli aber auch in den letzten Tagen die Leute fragen: «Wie geht es Gaston?» Und dann sagt er: «Es geht ihm besser, er ist jetzt nicht mehr im Spital, sondern wieder zuhause.»
Einige Male davor hatte er seinen 25 Jahre älteren, väterlichen Freund besucht. «Aber es machte mich jedes Mal traurig, wenn ich ihn so niedergeschlagen sah», gesteht Roli. An das Bild vom kranken Gaston, will er sich nicht gewöhnen. Und ein Selfie mit ihm machen schon gar nicht. «Es gibt von uns beiden so viele schöne Bilder und bunte Geschichten aus vielen Jahren, die sind mir näher.» Roli kommt ins Schwärmen und Erzählen, wenn er an die alten Zeiten denkt. Man könnte ihm stundenlang zuhören, wenn er von den schönen Momenten ihrer gemeinsamen Karriere schwärmt. Erstmals traten Gaston und Roli 1999 im damaligen Circus Royal gemeinsam auf und bald einmal wurden sie hierzulande als Variante von Dick und Doof bezeichnet, als schweizerische Wiedergeburt der berühmten Laurel und Hardy. Auf der einen Seite Roli, der schlagfertige, besserwisserische, väterliche Dicke, ein Typ wie Oliver Hardy. Und daneben Gaston, ein Typ wie Stan Laurel, ein ebenso tollpatschiger Doofer, mit einer kindlichen Stimme an die sich viele noch erinnern: «Mir isch gliich».
Ab 2001 waren die beiden dann beim Weihnachtscircus Conelli alljährlich ein fester Bestandteil des Programms und die viel belachten Clowns, ja, die Publikumslieblinge der Zürcher:innen. Über die Jahre wuchsen die Zwei zu einem perfekt eingespielten Duo zusammen. Beides Meister der Situationskomik, grossartig waren ihre Dialogwitze. Was wenige wissen, «damit bei Gaston und mir keine Routine entstehen konnte und weil wir uns so gut mochten, trieben wir oft Schabernack miteinander. Wenn das Programm nach etwa vierzehn Tagen richtig eingespielt war, versuchten wir mit Unfug dem andern einen Streich zu spielen, ihn aus der Reserve zu locken. Es gibt unzählige Anekdoten, wo wir uns vor Lachen über den anderen fast nicht mehr erholen konnten», erklärt Roli. Sternstunden ihrer Freundschaft waren das. Und das Publikum fand diese Momente erst recht komisch und lachte meistens noch lauter mit.
Ein Universal-Circus-Genie
«The show must go on» sagte sich Direktor Roby Gasser (61), nachdem er im September die Hiobsbotschaft von Gaston erfuhr und hielt sich damit wieder einmal an das berühmte Sprichwort in der Unterhaltungsbranche: Die Show muss weitergehen. Gemeinsam machte man sich auf die Suche nach einem neuen Bühnenpartner für Roli, was sich wenige Wochen vor der Premiere fast als unlösbares Problem darstellte. Per Zufall fand man dann aber ein Universal-Circus-Genie. Toninho Ferreira, den 63-jährigen Portugiesen, der in früheren Jahren bereits als Athlet bei Conelli aufgetreten war. Toninho bringt alles mit, was einen Komiker auszeichnet: Charaktergesicht, grosse pantomimische Fähigkeiten, gute Präsenz mit langer Manegen-Erfahrung, er spricht mehrere Sprachen (meint man jedenfalls) und er ist ein präziser, liebenswürdiger und zuverlässiger Teamplayer. Und das Wichtigste: Der gute Mann im fortgeschrittenen Alter war sofort verfügbar. Toninho entpuppte sich seit seiner Ankunft in der Schweiz als Volltreffer. «Die ersten zehn Tage probten wir bei mir zuhause im Baselland und arbeiteten ein paar Nummern aus», sagt Roli. Nach zwei Wochen auf dem Bauschänzli ist das neue Duo bereits so gut aufeinander eingespielt, als hätten sie ihre Nummern jahrzehntelang miteinander geprobt. Schon bei der ersten, der Eierkorb-Nummer, brüllt das Publikum vor Lachen.
Gaston freut sich trotz allem
Vom Krankenbett aus verfolgte Gaston in den letzten Wochen das Geschehen im Conelli. Er liess sich von den Proben und den ersten Vorstellungen sogar Videos senden und telefonierte dann - zwar traurig -, aber doch voller Freude: «Es funktioniert, die Leute lachen über euch beide. Dann muss ich mir wenigstens darüber keine Sorgen machen. «So ist Gaston», sagt Roli, «dabei wäre es doch genau umgekehrt: «Wir alle machen uns im Conelli Sorgen um ihn. Doch wir hoffen, dass er nächste Saison wieder zu uns zurückkehrt.»