Als bei der Geburt von S.R.* in Damaskus (Syrien) das männliche Geschlecht eingetragen wurde, war für die muslimischen Eltern des Frischgeborenen noch alles in Ordnung. Doch bereits in den frühen Kindheitstagen stellte sich heraus, dass der Junge lieber mit Puppen statt mit Autos spielte und im Fernsehen die eher femininen Sendungen, wie beispielsweise Rapunzel, bevorzugte. «Normalerweise erzählen Menschen gerne über ihre Kindheit, aber ich gehöre nicht zu denen. Ich habe meine Kindheit nicht gut erlebt, weil ich in dieser Zeit nach meinem passenden Geschlecht gesucht habe», erinnert sich die 24-Jährige zurück. Heute lebt S.R. als Transfrau in Schaffhausen und erzählt dem «Bock» ihre Lebensgeschichte.
Einsame Schulzeit
Als S.R. als Vierjährige in den Kindergarten kam, spielte sie am liebsten mit Mädchen. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr erstmals auch aufgefallen, dass sie sich nicht wie die anderen Jungen verhielt. «Meine Familie hatte bereits vor dem Kindergarten gemerkt, dass ich mich eher als Mädchen statt als Junge verhalte. Das Thema wurde aber nie richtig angesprochen. Meine Eltern sagten immer wieder, dass dies nur eine vorübergehende Phase sei.»
Die ersten drei Schuljahre erlebte S.R. als unproblematisch. In der Mittelstufe änderte sich jedoch dann alles. «Die anderen Schüler merkten, dass ich nicht gleich wie die anderen Jungs war. Sie haben immer über mich gelacht und mich Zwitter genannt, nur weil ich die Gesellschaft mit Mädchen gesucht habe. Ich bin zurückhaltend geworden, habe die Pausen allein verbracht.» S.R. erinnert sich an eine sehr einsame Zeit zurück. In der Schule sei sie im besten Fall ignoriert und im schlimmsten Fall ausgelacht und gemobbt worden. Auch zuhause hat sie sich immer fremd gefühlt: «Mir war nicht klar, was ich genau bin. Ich fühlte mich nicht als Junge, auch wenn mein Körper männlich war. Meistens habe ich mich in meinem Zimmer verschlossen und verliess es, wenn überhaupt, nur zum Essen.» Die Aussage, dass es sich nur um eine vorübergehende Phase handle, hörte S.R. so oft, dass sie irgendwann selbst daran glaubte. Die Syrerin fasst ihr einsames Kindesalter zusammen: «Ich kann nicht sagen, dass ich meine Kindheit als Mädchen erlebt habe. Ich habe sie aber auch nicht als Junge erlebt. Ich habe irgendwie gar keine Kindheit gehabt, weil ich immer nach mir gesucht habe.»