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Küsnacht
22.12.2022

Jahresbericht Pilzkontrolle 2022

Verschiedene Fälle zeigen auf, dass Pilze nicht ohne Pilzkontrolle gegessen werden sollten. (Symbolbild) Bild: Goldküste24
Am 26. Mai 2022 wurde der Küsnachter Pilzkontrolleur und Spitaldiagnostiker Hans-Peter Neukom von einer besorgten Hundebesitzerin telefonisch kontaktiert, weil sie eine Vergiftung vermutete.

Dauer der Kontrolle (erster und letzter Schein): 31.5. - 17.11.2022

  • Anzahl Scheine oder Pilzlisten total: 505
  • Anzahl Kontrollen mit ungeniessbaren Pilzen: 291
  • Anzahl Kontrollen mit Giftpilzen: 87
  • Anzahl Kontrollen mit tödlich giftigen Pilzen: 8
  • Gesamtmenge der kontrollierten Pilze: 473,6 kg
  • Speisepilze: 403,4 kg
  • Ungeniessbare Pilze: 59,2 kg
  • Giftpilze ohne tödlich giftige Arten: 10,4 kgTödlich giftige Pilzarten: 0,6 kg
  • Vergiftungsfälle (Pilzarten, Spital od. Arzt, Symptome, Anzahl Personen etc.):

Hund mit Vergiftungssymptomen?
Am 26. Mai 2022 wurde der Küsnachter Pilzkontrolleur und Spitaldiagnostiker Hans-Peter Neukom von einer besorgten Hundebesitzerin aus Glattbrugg via Tox Info Suisse telefonisch kontaktiert. Sie berichtete: Ihr kleiner Hund (Rasse Spitz) habe heute aus einem Rasen wahrscheinlich Pilze gefressen. Der Hund zeige keine Symptome einer Vergiftung und sei zurzeit wohlauf. Die Hundebesitzerin wollte nun wissen, ob die Pilze für ihren Vierbeiner giftig seien. Zur Abklärung sandte sie per WhatsApp einige Fotos der Pilze aus dem Rasen. Die Pilzbestimmung ergab dann mit ziemlicher Sicherheit den essbaren Netzstieligen Hexen-Röhrling (Boletus luridus). Dafür sprachen vor allem die Blauverfärbung des Fruchtfleisches, die netzartige Zeichnung auf dem Stiel, die Hut- und Stielfarben sowie der Standort. Da der Vierbeiner, wenn überhaupt, nur eine geringe Pilzmenge gefressen hatte, konnte Entwarnung gegeben werden. Die Hundebesitzerin atmete am Telefon hörbar auf. Sie wurde aber darauf hingewiesen, ihren Hund zu beobachten und bei Erbrechen und/oder Durchfall einen Veterinär zu konsultieren. Auch am folgenden Tag zeigte der kleine Vierbeiner keine Symptome einer Pilzvergiftung, laut der Hundebesitzerin.

Giftiger Pilze aus einem Pflanzentopf?
Am Montag, 30. Mai 2022, erhielt Hans-Peter Neukom von einer verängstigten Mutter ein Telefonat via Tox Info Suisse. Ihr fünfeinhalbjähriger Sohn habe aus einem Blumentopf mit einer exotischen Pflanze einen bräunlichen, kleineren Pilz in den Mund genommen. Er habe ihn nicht geschluckt, könnte aber eventuell ein kleineres Stück davon gegessen haben. Der Mund des Dreikäsehochs wurde anschliessend gut mit Wasser gespült und dieses jeweils ausgespuckt. Die besorgte Mutter wollte nun wissen, was zu tun sei und ob diese Pilzart giftig sei. Anhand der von ihr übers WhatsApp geschickten Fotos konnte die Pilzart leider nicht exakt bestimmt werden. Solch kleine, braune Pilze sind makroskopisch und anhand von Fotos nur schwer sicher zu bestimmen. Vermutet wurde eine Pilzart aus der Gattung der Samthäubchen (Conocybe spec.). Da der Knabe den Pilz nicht geschluckt hatte, und wenn, dann nur ein kleineres Stück davon, konnte die besorgte Mutter beruhigt werden. In solch kleinen Pilzmengen wäre die mögliche Giftkonzentration zu klein, um eine schwere Vergiftung zu verursachen, auch bei einem Kind. Vorsichtshalber wurde der Mutter aber empfohlen, ihrem Sohn Aktivkohle-Suspension – im Fachhandel unter dem Namen „Carbovit“ erhältlich – zu verabreichen. Kohle bindet das Gift bereits im Magen und es wird so vom Körper nicht mehr aufgenommen. Um Kindern die Aufnahme der Kohlesuspension zu erleichtern, eignet sich das Mischen mit Fruchtquark oder Coca-Cola. Der Pilzexperte wies die Mutter an, ihren Sohn zu beobachten und sich bei auftretenden Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall unverzüglich an einen Arzt oder an das Tox Info Suisse zu wenden. Auch am nächsten Tag zeigte der Dreikäsehoch keine Anzeichen einer Pilzvergiftung.

In zwei weiteren Fällen, in denen Kinder aus einem Rasen und Komposthaufen möglicherweise wenige Teile von kleinen, grau-braunen Pilzen geschluckt hatten, waren es auch hier keine gefährlich giftigen Pilzarten. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Düngerlinge (Panaeolus). Die Bestimmung erfolgte durch Fotos, die die Eltern jeweils per Natel einschickten. Auch in diesen Fällen konnte der Küsnachter Pilzkontrolleur Entwarnung geben und die Eltern beruhigen. Die beiden Kinder zeigten auch in den darauffolgenden Tagen keine Symptome einer Pilzvergiftung.

Starker Brechdurchfall einer Notfallpatientin
Am Montag, 14. November 2022, erhielt Hans-Peter Neukom ein Telefonat einer Ärztin aus der Notfallaufnahme des Universitätsspitals Zürich. Sie habe eine 45-jährige Patientin auf der Notfallstation, die nach dem Genuss von selbst gesammelten – nicht kontrollierten – Pilzen starke gastrointestinale Symptome zeige. Die Pilze wurden laut der Sammlerin am Vorabend konsumiert, nach Abkochen in Wasser und gut angebraten. Nach mehreren Stunden Latenzzeit zeigten sich dann bei der Patientin starke Brechdurchfälle und Übelkeit, was sie dann am Morgen veranlasste, zur Notfallaufnahme ins Universitätsspital Zürich zu gehen. Die Sammlerin habe sogar Fotos von ihrer Pilzernte gemacht. Zur Abklärung, ob neben essbaren auch gifte Pilze auf den Fotos zu erkennen seien, sandte die Ärztin diese dem Pilzexperten per WhatsApp zu. Auf den Fotos konnte dieser dann neben essbaren Reizkern, Semmelstoppelpilzen und bedingt essbaren Nebelgrauen Trichterlingen auch einen Giftpilz der Gattung Rötling (Entolama) ausmachen. Vor allem der Riesen-Rötling (Entoloma sinuatum) kann nach mehreren Stunden starke Magen- und Darmprobleme auslösen. Diese können durch starken Flüssigkeits- und den dadurch bedingten Elektrolytverlust, insbesondere bei kleinen Kindern sowie älteren und schwächeren Personen, sogar lebensbedrohliche Kreislaufstörungen auslösen. Nachdem man einen tödlich giftigen Knollenblätterpilz durch den negativen Nachweis von Amanitin in der Urinprobe der Patientin ausschliessen konnte und es ihr wieder besser ging, wurde sie am nächsten Tag aus dem Spital entlassen.

Pikantes Detail am Rande: Nach Aussage der Sammlerin war sie erst zum zweiten Mal auf Pilzsuche! Um künftig solche Pilzvergiftungen zu vermeiden, riet ihr die Ärztin ihr ganzes Sammelgut jeweils einem ausgewiesenen Pilzkontrolleur zur Prüfung vorzulegen.

Giftige Pilze werden bei den Kontrollen immer wieder gefunden. (Symbolbild) Bild: Pixabay

Allgemeines zur Pilzkontrolle

Die Öffnungszeiten 2022 blieben wie in den letzten Jahren gleich. Nach den Sommerferien bis Mitte November war das Kontrolllokal jeweils an folgenden Tagen offiziell geöffnet: Dienstag und Donnerstag von 18.30 bis 19.30 Uhr, Samstag und Sonntag von 18 bis 19 Uhr. Mit 505 Kontrollen, in denen 473,4 kg Pilze geprüft wurden, hatten die Küsnachter Pilzkontrolleure alle Hände voll zu tun. Verglichen mit den letzten dreissig Jahren fiel die Pilzsaison im Herbst 2022 am Hausberg Pfannenstiel noch nie so gut aus. Sowohl Mykologen wie auch Sammlerinnen und Sammler kamen voll auf ihre Rechnung. Im Gegensatz zum Herbst waren die Ernten der Spitz- und Speise-Morcheln im Frühjahr in den Regionen der Goldküste aber höchst durchschnittlich.

Giftige Pilze darunter

So wollte eine Gartenbesitzerin aus Zumikon telefonisch wissen, ob die in ihrem Garten auf dem Nadelholz-Rindenhäxel gewachsenen Pilze auch wirklich Morcheln sein können. Auf allen vier Fotos der geernteten Pilze waren ausschliesslich und eindeutig nur feine Spitz-Morcheln zu sehen. Diese konnten dann der überraschten Gartenbesitzerin zur Konsumation freigegeben werden.

Auch die bei einigen Pilzsammlern in der Küche beliebten Maipilze und März-Schnecklinge wurden dieses Frühjahr nicht in grossen Mengen gefunden. Ende Mai und im Juni konnten dann aber bereits auch in den Regionen am Pfannenstiel einige Pilze wie Hexen-Röhrlinge, Sommer-Steinpilze, Eierschwämmen und Frauen-Täublinge für die Küche gesammelt werden. In dieser Zeit wurden auch einige wenige Kontrollen nach telefonischer Anfrage durchgeführt. Durch die extreme Trockenheit und Wärme im Juli und August war die «Pilzherrlichkeit» danach aber schon wieder vorbei.

Pilze in Hülle und Fülle
Nachdem das Pilzkontrolllokal offiziell im August nach den Sommerferien geöffnet wurde, und vermehrt Niederschläge gegen Ende August und Anfang September zu verzeichnen waren, wurden die Kontrolleure regelrecht von Sammlerinnen und Sammlern überrannt. Die Artenvielfalt und Menge an Pilzen waren dann den ganzen Herbst über riesig. Daher kamen oft zwischen 20 und 30 Pilzsammler an die Kontrollabende, vor allem an den Wochenenden. Die Warteschlangen bildeten sich jeweils bis auf den Gemeindehausplatz hinaus – Überstunden waren angesagt. Oft dauerten die Pilzkontrollen so zwischen zwei und drei Stunden. Aber auch ausserhalb der offiziellen Öffnungszeiten wurden nach telefonischer Anmeldung mehrere Pilzkontrollen durchgeführt.

Durch das praktisch in der ganzen Schweiz überaus reiche Pilzvorkommen konnten viele sogenannte „Magenbotaniker“ Speisepilze wie Hexen-Röhrlinge, Steinpilze, Rotfuss-Röhrlinge, Maronen-Röhrlinge, Reizker, Nebelkappen, Mönchsköpfe, Champignons, Parasol-Riesenschirmlinge, Krauseglucken, Herbst-Trompeten, Durchbohrte Leistlinge in grossen Mengen sammeln. Dabei vielen vor allem einige grössere Fruchtkörper an Steinpilzen auf. Das schwerste Exemplar wog stolze 850 Gramm und war von guter Qualität.

Sechs tödlich giftige Knollenblätterpilze
Durch das grosse Pilzvorkommen zeigten aber auch viele Giftpilze ihre Fruchtkörper. So wurden von den Kontrolleuren in 87 Kontrollen 10,4 kg giftige Schwämme wie Tiger-Ritterlinge, Pantherpilze, Riesen-Rötlinge, Wurzelnder Bitter-Röhrlinge, Satans- und Ochsen-Röhrlinge, Spitzschuppige Stachel-Schirmlinge, Kahle Kremplinge, Grünblättrige Schwefelköpfe (auffällig viele), Gemeine Rettich-Helmlinge, verschiedene Risspilze, Hautköpfe und Weisse Trichterlinge aussortiert.

Bei den acht Kontrollen mit tödlich giftigen Pilzen fielen neben mehreren Gifthäublingen und kleinen Schirmlingen vor allem die sechs stattlichen Fruchtkörper von Grünen Knollenblätterpilzen auf. Bereits ein 50 Gramm schweres Exemplar kann ohne medizinische Behandlung zum Tod eines erwachsenen Menschen führen. Dies zeigt einmal mehr die Wichtigkeit der amtlichen Pilzkontrollstellen im Dienst des Gesundheitswesens.

Rekordverdächtige Pilzsaison
Die überaus gute, hiesige Pilzsaison wurde auch durch die Anzahl der ausgestellten Kontrollscheine und die Mengen des kontrollierten Pilzsammelgutes bestätigt. Verglichen mit der Pilzsaison 2019, eine der besten der letzten 30 Jahren, ist die Besucherzahl im Kontrolllokal um 172 Sammlerinnen und Sammler gestiegen. Die Menge der totalgeprüften Pilze nahm um 154 kg zu. Von den Experten wurden dieses Jahr bei 505 ausgestellten Kontrollscheinen insgesamt 473,6 Kilo gesammelte Pilze geprüft. Davon waren 403,4 Kilo essbar, 59,2 Kilo ungeniessbar, 10,4 Kilo giftige und 0,6 Kilo tödlich giftige Pilze.

Kontrolllokal geschlossen
Nachdem im November die Kontrolltätigkeit stark abgenommen hatte und nur noch wenige Sammlerinnen und Sammler ihre Pilzernten prüfen liessen, schlossen die Küsnachter Pilzkontrolleure die Tür zum Kontrolllokal am 17. November dieses Jahres.

Allgemeine Informationen

Pilzkontrolllokal: Gemeindehaus neben dem EW-Laden, Obere Dorfstr. 32, 8700 Küsnacht

Angeschlossene Gemeinden: Erlenbach, Herrliberg, Zollikon, Zumikon

Pilzkontrolleure: Hans-Peter Neukom, Jonas Brännhage, Anna Biro

Pilzkontrolleure Anna Biro, Jonas Brännhage, Hans-Peter Neukom/Goldküste24