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18.02.2023

Mit den Supernasen auf Spurensuche

Die Tour geht durch stark frequentiertes Gebiet. Doch Udai verliert die Spur nicht. Bild: Karin Steiner
Das SHZ Suchhundezentrum Stützpunkt Zürich bildet Hunde aller Rassen zu Mantrailern aus.

Trainerin Nicole Neukomm ist mit den Teams, die das Mantrailing als Hobby betreiben, vorwiegend in der Region Dübendorf, Wallisellen, Zürich und Glattal unterwegs und sucht «vermisste Personen».

An diesem kalten Wintermorgen haben sich fünf Mensch-Hund-Teams bei der Sportanlage Heerenschürli in Schwamendingen versammelt. Während die Hunde in den Autos auf den Einsatz warten, macht sich Trainerin Nicole Neukomm mit einer Person, die später gesucht werden muss, auf den Weg in ein unbekanntes Versteck. In dem dicht besiedelten und von unzähligen Menschen und Hunden frequentierten Gebiet geht es über schmale Wege und zwischen Häusern durch bis zu einem Parkplatz, wo die Zielperson wartet, bis sie gefunden wird.

Kurze Geruchsaufnahme und Start

Inzwischen hat Marianne Kern, die mit ihrem 4-jährigen Flat-Coated Retriever Udai als Nächste an der Reihe ist, den Hund aus dem Auto geholt und ihm Geschirr und Schleppleine angelegt. Nicole Neukomm, die inzwischen zurückgekehrt ist, überreicht ihr ein Glas, in dem sich ein Stoffstück befindet, das nach der Zielperson riecht. «Das kann ein getragenes Kleidungsstück sein, eine Socke oder auch nur ein Wattepad, mit dem sich die Zielperson zuvor über die Stirn gestrichen hat», erklärt sie.
Die Geruchsaufnahme dauert nur kurz. Udai schnüffelt an dem Inhalt des Glases und macht sich sogleich auf den rund 820 Meter langen Weg. Anfangs ist er noch etwas unkonzentriert, schnüffelt da und dort im Gras, markiert, aber hat seine Aufgabe dennoch nicht vergessen. Selbst durch das schwierige Gebiet beim GZ Hirzenbach und der Sportanlage Heerenschürli verfolgt er die richtige Spur. Trainerin Nicole Neukomm, die mitläuft, beobachtet ihn genau und weist Marianne Kern darauf hin, wenn er kurz vom Weg abkommt. Sie bleibt dann wortlos stehen, und nach kurzer Zeit hat Udai die Spur wieder in der Nase.

Die Nase – ein Hochleistungsorgan

Die Nase des Hundes ist ein wahres Hochleistungsorgan. «Hunde verfügen über ein zusätzliches Organ, das sich am Gaumen hinter den Schneidezähnen befindet», erklärt Nicole Neukomm. Die ­ausserordentliche Riechfähigkeit des Hundes macht ihn für den Menschen in vielerlei Hinsicht nützlich: Er kann Drogen aufstöbern, Krankheiten frühzeitig erschnüffeln oder eben auch vermisste Personen finden. «Ich kenne einen Hund, der hat eine sieben Tage alte Spur noch gefunden», erzählt Nicole Neukomm. «Aber die Personensuche ist für den Hund sehr anstrengend. Sein Herzschlag ist beschleunigt und seine Körpertemperatur kann bis zu drei Grad ansteigen. Das ist vor allem bei Hitze ein Problem.»

Der Mensch hinterlässt Spuren

Der Mensch verliert unbemerkt pausenlos Partikel, die der Hund in der Luft und am Boden wahrnimmt. Das können winzige Hautschuppen sein, Schweissstoffe oder Atempartikel. Der Hund ist in der Lage, diese Partikel von den Millionen anderer Partikel, die in der Luft oder am ­Boden liegen, zu unterscheiden und sie auch nach Tagen noch wahrzunehmen.
Inzwischen ist Udai bei der Zielperson angekommen. Diese hält ihm zur Belohnung eine Box mit einer besonders leckeren Überraschung hin, und auch von seiner Besitzerin und der Trainerin wird er ausgiebig gelobt. Nun geht es für ihn zurück in sein Auto, wo er sich von der Anstrengung ausruhen kann, und Nicole Neukomm macht sich mit einer weiteren Zielperson auf den Weg in ein Versteck, denn noch warten zwei weitere Teams auf ihren Einsatz.
Die zertifizierte Trainerin ist fast täglich mit verschiedenen Gruppen von je vier bis fünf Teams unterwegs. Dabei ist es ihr wichtig, dass viel Abwechslung ins Programm gehört. «Oft sind wir in der ­Region Dübendorf unterwegs, aber auch in der Stadt Zürich oder im Unterland», erzählt sie. «Im Sommer gehen wir der Hitze wegen oft in den Wald. Wichtig ist es dann, schattige Parkplätze zu finden, denn die Hunde müssen über eine längere Zeit in den Autos warten.»

Spurensuche in der City

Hin und wieder gibt es auch ganz besondere Trails, zum Beispiel in der City beim Zürcher Hauptbahnhof. «Das muss dann an einem Sonntagmorgen durchgeführt werden, dann hat es nicht so viele Menschen unterwegs und wir können mit den Hunden an der langen Leine besser passieren, ohne zu stören.»
Inzwischen ist der nächste Trail bereit und Cinzia Lo Giusto startet mit ihrem Mischlingsrüden Benji auf die 620 Meter lange Strecke. Auch dieser findet das Versteck der Zielperson souverän, begrüsst aber freudig die Verfasserin dieses Artikels, die mit Nicole Neukomm und der Zielperson Doris Meyer mitgelaufen ist und natürlich auch ihre Geruchspartikel hinterlassen hat. Erst nach einigen Aufforderungen besinnt er sich auf die ­ursprüngliche Geruchsaufnahme und nimmt schliesslich von Doris Meyer die wohlverdiente Belohnung in Empfang.

Jeder Hund kann trailen

Als Letzte der heutigen Gruppe macht sich Esther Rancan mit ihrer Vizsla-Hündin Vilu auf den Weg. Aus Zeitgründen muss Vilou dieselbe Zielperson wie zuvor Benji suchen. Für den ungarischen Vorstehhund ist das kein Problem. Es fällt jedoch auf, dass Vilou als Jagdhund die Spur mehr in Bodennähe sucht als ihre Vorgänger. «Grundsätzlich ist jeder Hund für das Mantrailing geeignet», sagt Nicole Neukomm. «Natürlich besitzt ein grösserer Hund mit einer langen Schnauze viel mehr Riechzellen als ein kleiner mit einer flachen Schnauze. Aber ich habe auch eine französische Bulldogge im Training, die ihre Sache gut macht.»
Nicole Neukomm trainiert die Woche hindurch über 60 verschiedene Teams. Die meisten kommen hobbymässig, um ihre Hunde sinnvoll zu beschäftigen, aber es gibt auch Hunde, die erfolgreich Prüfungen laufen. «Es ist spannend, die Hunde bei der Arbeit zu beobachten», sind sich alle einig. «Und es macht ganz einfach Spass. Es ist ein tolles Hobby.»

Mantrailing boomt

Mantrailing kommt ursprünglich aus den USA und bedeutet «Spurensuche». Heute werden Hunde fast weltweit zu Mantrailern ausgebildet – sei es bei der Polizei oder in Rettungshundestaffeln. Mantrailer können in stark belebten Städten, an viel befahrenen Strassen, an Bahnhöfen, im Wald oder auch in Pflege-, Alters- oder Behindertenheimen eingesetzt werden und so beim Verschwinden von Kindern oder demenzkranken Personen eingesetzt werden. Auch die Polizei zählt auf Mantrailer, wenn es zum Beispiel gilt, einen Einbrecher aufzuspüren. Immer mehr Hundehaltende entdecken jedoch das Mantrailing für sich und ihren vierbeinigen Freund als Hobby und sind regelmässig auf Spurensuche unterwegs.

Das SHZ Suchhundezentrum ist in drei Ländern aktiv

Das SHZ Suchhundezentrum wurde 2011 gegründet und bietet seitdem Spezialtrainings, Events, Seminare und Coachings rund um das Thema Mantrailing an. Interessierte können im SHZ vom Hobbytrailer bis hin zum Einsatzteam ausgebildet werden. In der Schweiz, Deutschland und Österreich besuchen mehrere Hundert Teams die ­verschiedenen SHZ-Stützpunkte. Der Stützpunkt Zürich ist vor allem in der Region Glattal, aber auch in der Stadt Zürich aktiv. Nicole Neukomm betreut als zertifizierte Trailtrainerin über 60 Teams in verschiedenen Gruppen. Sie bildet hobbymässig auch ihre eigenen fünf Hunde aus und führt in Dübendorf eine Hundepension.

Karin Steiner / Goldküste24