Der Kunstverein Oberer Zürichsee organisierte eine sehr interessante Führung durch die Ausstellung «doing family» in Kulturzentrum Pfäffikon. Dabei wurde auf soziologische wie gesellschaftliche Aspekte hingewiesen. Die Ausstellung zeigt, was Familie bedeutet. Was ihre Funktion und ihr Platz in der Gesellschaft ist. Erwartungen, Macht und Liebe werden differenziert beleuchtet.
Höhen und Tiefen des Familienlebens

Was ist Familie
Als Auftakt sind Fotos zu sehen, die auf eine grosse Scheibe projiziert werden. Erinnerungen an die Kindheit, Jugend und verschiedene Lebensphasen. Dazu gibt es aufrüttelnde Fragen an den Wänden: Bist du zufrieden mit deiner Rolle in der Familie? Wer hat in der Familie das Sagen? Was ist Familie?
Weiter geht’s mit dem Thema «Gemeinschaft». Früher definierte sich Familie als grosse Lebensgemeinschaft, erläuterte Führerin Johanna Müller. Dazu gehörten auch Mägde und Knechte sowie die Hausangestellten. Die Kleinfamilien im heutigen Sinne gibt es noch nicht lange. Die Fotos zeigen Familienidylle, Geburtstagsfeste, Ausflüge, Heirat etc. Doch Familienleben ist nicht immer ideal und schön. Das erfuhren die Besucherinnen und Besucher im Laufe der Ausstellung. Die Geschichte der Familie Baldenweg begleitet durch die Ausstellung. An unterschiedlichen Hörstationen kann man in den Alltag der Familie hineinlauschen und diesen über Jahrzehnte verfolgen.
Das erste Kapital der Exposition ist der Herkunft gewidmet. Jede Familie hat ihre eigene Geschichte, so Müller. Warum ist uns unsere Herkunft wichtig? Ist eine der Fragen. Dazu nahmen Künstlerinnen und Künstler mit ihren Werken, Wissenschaftler per Video und das Kuratoren-Team «fischteich» mit den ausgewählten Exponaten Stellung. Unsere Herkunft bestimmt unsere Stellung in der Gesellschaft, den religiösen Hintergrund, die eigene Identität. Lauter wichtige Themen, die uns umtreiben.
Mit 12 Jahren erfuhr der Künstler Tim Rod (Bern), dass sein Vater nicht sein biologischer Vater ist. Mit 26 Jahren ging er auf die Suche nach ihm. Daraus entstand das imposante Werk «Don’t forget the Knifish» in Form einer weissen Wand voll beschrieben mit Fragen an seinen Vater über dessen Herkunft, Beruf, Interessen und Charakter.
Himmel oder Hölle
Ein weiteres Kapital ist dem Thema «Geborgenheit» gewidmet. Geborgenheit ist, wo man sich zuhause fühlt. Rituale, Traditionen, aber auch Gegenstände, ja sogar bekannte Gerüche nach frischem Brot, können gemäss Kuratoren-Team das Gefühl von Geborgenheit vermitteln oder ein schön gedeckter Tisch – wie ausgestellt. Was aber passiert, wenn sich alles verändert? Wenn die Kinder ausfliegen? Die Künstlerin Nesa Gschwend zeigt dazu die Installation «Gefaltete Erinnerungen» aus zusammengerollten, verschnürten und mit Wachs übergossenen Bettlaken, die aussehen wie Steine, um so die Erinnerungen zu verpacken und festzuhalten.
Ganz anders setzt sich die Künstlerin Hanna Nitsch, aus Freiburg im Breisgau, mit dem Familienthema auseinander. Sie zeichnete mit Tusche und Grafitstift ihre Kinder in verschiedenen Beziehungsrollen, neidisch, in Konkurrenz oder liebevoll.
Familien haben aber auch Geheimnisse. Es gibt Tabus, über die nicht gesprochen wird, wie eine Fehlgeburt, Suizid, Missbrauch, häusliche Gewalt oder Süchte. Ein kurzes Hörspiel veranschaulicht das Thema. Es geht um Alkoholsucht und um ein mit Ramsch gefülltes Kellerabteil, wie in der Ausstellung präsentiert. Das Kind findet dort viele Flaschen Alkohol, die ihre Mutter versteckt hält. Anna von Senger, Paartherapeutin nimmt in einem Video-Interview dazu Stellung und erläutert, was das Schweigen mit einer Familie macht. Oft gehe es bei solchen Problemen um Macht und Versagen, erläutert die Führerin. «doing family» ist nicht nur eine private Angelegenheit, sondern auch eine öffentliche. Wenn es zu schwerwiegenden Problemen kommt, schreitet die KESB ein. Die Kinder gehen zur Schule und sind diversen Erwartungen, Anforderungen und Erziehungsmethoden ausgesetzt.
Die Zukunft der Familien
Ein sehr interessanter Ausstellungsteil beschäftigt sich mit der Zukunft der Familien. «Familie» verändert sich gemäss Kuratoren-Team im Laufe der Zeit stetig. Sie ist keine statische Form. Früher waren viele Kinder ein Schutz vor Altersarmut – heute ist es umgekehrt, erfährt man anhand einer Statistik. Die Familie wandelt sich, so wie sich die Gesellschaft verändert.
Es gibt inzwischen die verschiedensten Familienmodelle. In einem Interview erläutert Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx, welches Familienmodell wohl am ehesten eine Zukunft hat. Das Vater-Mutter-Modell kommt seiner Meinung nach immer mehr unter Druck. Auch die Genderthematik wird aufgegriffen und verschiedene Befruchtungsmethoden oder Co-Parenting. Speziell ist auch die Fotoreihe «Swedish Dads» von Johan Bävman aus Schweden. Sie zeigt Bilder von sogenannten «Hausvätern» und Väter im Vaterschaftsurlaub, die ihre Kinder liebevoll umsorgen – das war anfangs letztes Jahrhundert noch undenkbar.
Im letzten Bereich werden an einer Pinwand viele bunte Zettel mit Ratschlägen für Familien gezeigt. Im hinteren Teil geht das Kuratoren-Team auf die Stärke und Kraft von Familien ein und zeigt diverse Familienprojekte. Beispielsweise Zwillingsschwestern, die jedes Jahr von sich eine Fotoshooting machten.
Das Thema Familie wird in der Ausstellung sehr umfassend und kreativ aufgearbeitet. Ein Besuch lohnt sich. Die Mitglieder des Kunstvereins äusserten sich beeindruckt.