Das Geheimnis des Romans «Melody» zu lüften, ist hier nicht am Platz. Erstens wäre das ein Spoiler, und zweitens ist das neue Werk des kürzlich 75 Jahre alt gewordenen Martin Suter noch gar nicht erschienen – Sperrfrist! Dies hier kann also nur eine Vorankündigung sein. Aber ist es überhaupt nötig, für den Bestsellerautor (und ehemaligen erfolgreichen Werbetexter) Werbung zu machen? Natürlich nicht. Deshalb werben wir hier nicht, sondern spekulieren ein wenig über das Potenzial des Romans, wofür wir den Ankündigungstext des Verlags und die zwei ersten Kapitel, die auf dessen Website als Leseprobe zugänglich sind, zu Hilfe nehmen.
Eine ungewöhnliche Anzeige
Drei zentrale Figuren lassen sich skizzieren. Zuerst ist da ein junger «Held» auf Stellensuche. Tom Elmer heisst er, ist Jurist um die 30 mit zwei Abschlüssen als Master of Laws. Wie man zu Beginn des Romans erfährt, hatte sein Vater ihm das Studium bezahlt, und Tom hatte keinen Grund und keine grosse Lust gehabt, berufstätig zu werden. Doch nach dem Selbstmord seines Vaters, der unter einem Schuldenberg zusammengebrochen war, hat er keine Wahl mehr. Nach sechs Wochen mit lauter Absagen bewirbt er sich auf eine ungewöhnliche Anzeige; darin steht, es werde ein «vertrauenswürdiger, gebildeter jüngerer Mann für Nachlassordnung» gesucht. «Juristische Vorkenntnisse erwünscht», heisst es noch. Tom glaubt sich überqualifiziert und begnügt sich mit einer Standardbewerbung.
Noch ein Jahr zu leben
Überraschend wird er zum Vorstellungsgespräch eingeladen und trabt bei einem Dr. Peter Stotz an; dieser wohnt in einer Villa am – fiktiven – Weilstammweg, der, wie wir dank des Verlages wissen, am Zürichberg liegt. Der 84-jährige Stotz war, wie Tom googelnd herausfindet, eine grosse Nummer: Nationalrat, Königsmacher und Geldgeber, mehrfacher Verwaltungsrat, ausserdem Kunstmäzen und viele Jahre Verwaltungsratspräsident der Oper. Bevor Tom ihm gegenübertritt, heisst es: «Es roch nach Tabakpfeife, Kaffee und Vergangenem.» Und es riecht intensiv nach einer Geschichte über Wirtschaftskriminalität in höchsten Kreisen. Tom erfährt gleich im ersten Gespräch, dass Stotz nur noch ein Jahr zu leben hat.
Romantischer Machtmensch
Der Verlag verrät uns auch, dass Tom den Auftrag annimmt – und in weiteren Gesprächen von Stotz’ Liebe zur schönen Melody erfährt, von ihrem rätselhaften Verschwinden und von Stotz’ lebenslanger Suche nach ihr. Ja, was wird das nun, Martin Suter? Ein Liebesroman oder ein Roman über die dunklen Machenschaften der Wirtschaftselite? Und auf welche Dokumente wird Tom in den Schachteln des Nachlasses stossen? Ja, so schnell und so effizient wickelt uns der Autor ein: Unbedingt wollen wir wissen, ob Tom Melody findet. Warum sie verschwunden ist. Und was es mit der romantischen Ader des Erfolgs- und Machtmenschen Stotz auf sich hat. – Ist das jetzt doch schon Werbung?