- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Weitherum wird heute eine «Polarisierung» der öffentlichen Debatte beklagt. Dabei wird die Schuld häufig den Rechten sowie angeblichen oder tatsächlichen «Populisten» in die Schuhe geschoben.
Falsch – die Realität sieht anders aus. Dies belegt eine grosse Studie des Mercator Forums Migration und Demokratie an der Technischen Universität Dresden, das unter der Leitung des renommierten Politologen Professor Dr. Hans Vorländer steht.
Friedfertige Konservative
Vorländer und sein Team haben die «Polarisierung» – konkret: die Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen – in zehn europäischen Ländern untersucht.
Die Resultate lassen aufhorchen:
- Ältere, Personen mit hohem Bildungsabschluss und Einkommen sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Grossstädten sind am stärksten polarisiert und am intolerantesten gegenüber abweichenden Meinungen.
- Wer sich politisch als «links» beschreibt, ist im Schnitt deutlich intoleranter als Menschen, die sich eher «rechts» verorten. Ausserdem erweisen sich die Wählerinnen und Wähler von linken bis linksextremen sowie grünen und ökologischen Parteien europaweit signifikant stärker polarisiert als andere.
- Personen mit «progressiven» Positionen sind feindseliger gegenüber Andersdenkenden als Konservative.
Warnung vor Freund-Feind-Denken
Was bedeuten diese Resultate?
Klar, Meinungsverschiedenheiten gehören zu einer Demokratie. Unterschiedliche Positionen sollen sich reiben, die Alternativen sollen klar herausgestellt werden. Es lebe die sportliche Debatte!
Doch die Studienautoren warnen auch: Zusammenhalt und Stabilität sind gefährdet, wenn der demokratische Wettstreit in ein Freund-Feind-Schema kippt.
Intoleranz der Toleranten
Hier sind vor allem die Linken, die Städter und die Gutausgebildeten gefordert. Sie können abweichende politische Denkweisen besonders schlecht akzeptieren. Es sind also ausgerechnet jene Personen am intolerantesten, die sich oft als besonders tolerant inszenieren.
Moralische Überlegenheit
Eine der Ursachen für diese Intoleranz der ach so Toleranten dürfte darin liegen, dass sie für sich eine Art moralische Überlegenheit beanspruchen. Sie meinen, das Gute zu vertreten – und werden gerade dadurch böse.
Treiber der Spaltung
Die Studie bestätigt damit die Alltagserfahrung von vielen: Moralismus in der Politik schadet. Wer auf dem hohen Ross sitzt, zertrampelt leicht, was ihm in die Quere kommt.
Grosse Utopien und radikale Gesellschaftsentwürfe, wie sie von linker und grüner Seite immer wieder vorgebracht werden, sind die Treiber der Spaltung und eine Gefahr für die liberale Demokratie.
Lob der Landbevölkerung
Umgekehrt gilt: Pragmatische Lösungen und Offenheit sind am ehesten bei den Konservativen und der Landbevölkerung zu finden. Die Zukunft liegt hier – und nicht bei den ideologisch verengten und intoleranten linken Eliten in den Städten.