Lorenz Steinmann
Die angefragten sieben Nationalrätinnen und Nationalräte unseres Kantons übernachten allesamt in Bern, wenn Session ist. Dazu kommen viele Kommissionssitzungen, so dass zu den zwölf Wochen Session (viermal pro Jahr je drei Wochen) noch etliche Berner Tage (und Abende) anfallen.
So kommt es, dass sogar passionierte Automobilisten wie Thomas Matter (SVP) aufs Pendeln verzichten. «Das lohnt sich einfach nicht», sagt der Nationalrat, der seit Beginn seinen Wahlkampf mit einem 1974 VW Bulli bestreitet. Matter braucht zwei Stunden von seiner Haustür in Meilen ins Bundeshaus. Er übernachtet deswegen jeweils von Montag bis Donnerstag und in der letzten Sessionswoche bis Freitag in einem Stadtberner Hotel. «Am Freitag ist meist schon am Mittag Sessionsende, da gehts mit dem Zug nach Hause.» Er habe schon einiges erlebt – allerdings nicht nur im Zug. «Ich wurde auch schon mit Bier überschüttet», erzählt Matter. Anzeige erstattet habe er deswegen aber noch nie, auch nicht beim jüngsten Vorfall in Winterthur am vergangenen Freitag. Im Gegensatz etwa zu Regierungsrat Mario Fehr (parteilos, ehemals SP), der bei einem Fussballmatch in Winterthur keinen Spass verstand. Er liess die Kantonspolizei ermitteln.
Katharina Prelicz-Huber (Grüne) aus Zürich verzichtet ebenfalls aufs Pendeln. Dabei erlebt sie die Zugfahrten meist positiv. «Es ergeben sich vielfach sehr gute Diskussionen, das finde ich spannend», so die Nationalrätin der Grünen. Sie werde öfters angeschaut, dann heisst es: «Sind Sie das?» Hässige Blicke gebe es auch, aber Negatives werde eher per Mail mitgeteilt. «Oft muss ich im Zug Red und Antwort stehen, aber das gehört zum Job», erzählt Prelicz-Huber. Was sie sehr geniesst, ist ihr Hotelzimmer. «Das ist wie mein zweites Zuhause. Nach einem langen, strengen Tag möchte ich am liebsten nichts mehr sagen», erklärt die 63-Jährige. So sei eine WG keine Option. Etwas, was die drei Nationalräte Mike Egger (SVP), Franziska Ryser (Grüne) und Andri Silberschmidt (FDP) seit ihrer Wahl im Jahr 2019 mehr oder weniger konsequent praktizieren. Noch diesen Sommer bekräftigen die drei im Sommertalk auf Tele Züri, dass das Experiment nach wie vor klappe.