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24.11.2023
30.11.2023 13:47 Uhr

E-Busse: «Wir sind bereit und schalten auf Zukunft»

Werner Trachsel (rechts) hat das VZO-­Zepter an Joe Schmid übergeben. Bild: z. V. g.
Joe Schmid ist seit dem 1. November 2023 der neue Direktor der VZO. Der langjährige VZO­-Mitarbeiter löst Werner Trachsel ab, der 30 Jahre für den Verkehrsbetrieb tätig war und ihn geprägt hat. Im Gespräch erzählt Werner Trachsel vom Prozess des Loslassens und Joe Schmid gibt Einblicke in die Zukunftspläne der VZO.

Werner, du wirst erst 2026 pensioniert. Warum hast du den Posten vorzeitig abgegeben?
Ich bin zurückgetreten, weil ich zur Einsicht kam, dass die Zeit dazu für die VZO jetzt reif ist. Denn ich stand an dem Punkt, wo die Men­ge meiner Erfahrungen den Einsatz meines Verstandes und die daraus entstehenden Entscheide übermäs­sig zu beeinflussen begann. Und: Eine moderne VZO muss auch künftig mit der Zeit gehen, wofür ich nicht mehr genügend Kraft habe. Es war schwer, das einzusehen. Aber das Wohl der VZO steht über meinem Ego und so stimmt es auch für mich. Bis zu meiner Pensionierung werde ich mit einem 20-­Prozent-­Pensum für die VZO tä­tig sein und Projekte begleiten, u.a. bei der Suche eines Grundstücks für das nächste Busdepot.

Der Wechsel wurde schon im März kommuniziert. Wie wurde er von den Mit­arbeitenden aufgenommen?
Der Wechsel wurde von der Beleg­schaft gut aufgenommen, da Joe Schmid eine langjährige, bekannte und erfahrene Person ist.

War für dich immer klar, dass Joe den Posten einmal übernehmen wird?
Der Verwaltungsrat legte in seiner Nachfolgeplanung fest, dass sich interne Kandidaten qualifizieren müssen und nur bei entsprechender Eignung gewählt werden können. Ich habe Joe gefördert und ihn auf die Aufgabe vorbe­reitet, weil ich sein Potential er­kannte. Aber er musste sich selbst beweisen und überzeugte schliesslich den VR.

«Das Ende der Zusammenarbeit mit meinen Leuten stimmte mich melancholisch.»
Werner Trachsel, ehem. Direktor VZO

Wie gestaltete sich die Übergabe?
Die Zeit wurde genutzt, um Joe auf seine neue Aufgabe vorzubereiten und zu instruieren. Wir haben die Übergabe meiner Aufgaben pro­fessionell durchgezogen, sodass die Prozesse nahtlos weiterlaufen. Schwieriger war der emotionale Teil. Das Loslassen meiner Aufga­ben und vor allem das Ende der Zusammenarbeit mit meinen Leuten stimmte mich melancholisch.

Was wirst du mit der neu gewonnenen Freizeit anstellen?
Ich bin in meinem «neuen Leben» noch gar nicht richtig angekommen, ich hänge irgendwo dazwischen. Aber ich bin sicher, dass eine gute Zeit kommen wird, auch weil ich mich darauf vorbereitet habe. Nach 30 Jahren VZO und der Mithilfe bei der Erziehung unserer vier Kinder lasse ich mir jetzt Zeit, herauszufinden, was ich noch tun will. Ich muss jetzt aber zuerst einmal ganz loslassen, bevor ich was Neues an­packe. Sicher werde ich meine neue freie Zeit für längere Bike­-Touren nutzen – und fürs Musikmachen, was ich vor ein paar Jahren wieder begonnen habe.

Joe, du bist schon lange bei den VZO tätig. Erzähle uns mehr darüber.
Ich bin seit knapp 19 Jahren bei den VZO. 2005 bin ich als Leiter Marketing und Mitglied der Ge­schäftsleitung in das Unternehmen eingetreten. 2012 wurde die Funktion ausgeweitet zum Leiter Angebot und Markt. 2021 wurde ich zum Vizedirektor ernannt und per 1. November nun zum Direktor.

Was hast du ursprünglich gelernt?
Mein Einstieg in die Berufswelt war geerdet und bodenständig. Meine Erstausbildung vor 35 Jah­ren war die Berufslehre zum dipl. Landwirt am Strickhof Lindau. Ich wollte als Jugendlicher nie im Büro am Computer arbeiten, sondern an der frischen Luft, in der Natur, mit grossen Maschinen und mit Tieren.

Dann hast du aber doch ins Büro gewechselt . . .
Genau! (lacht) Ich absolvierte eine KV­-Zweitausbildung und bildete mich zum dipl. Marketingleiter weiter. Dazu kamen Führungsausbildungen an der HSG St. Gallen, der Lehrgang Leadership SVF-­ASFC sowie Medienkommunikation und Journalismus am MAZ Luzern. Zu­letzt kam der CAS finanzielle Unter­nehmensführung IFZ Zug hinzu.

«Einen Bus lenken kann ich zwar nicht, aber ich werde die VZO lenken.»
Joe Schmid, Direktor VZO

Hattest du nie den Drang, mal etwas anderes zu machen?
Nein. Ich brenne für den ÖV. Mit meiner fast 19­-jährigen VZO-­Erfahrung bringe ich das Know­how und die Leidenschaft mit. Viele Mitarbeitende kenne ich seit meinen Anfängen bei den VZO.

Wie war Werner als Chef?
Ich hatte das grosse Glück, von ihm das Handwerk einer wirkungsvol­len Führung zu erlernen. Er führte z.B. schon früh die Du-­Kultur ein. Er sorgte aber auch dafür, dass die VZO als Pionier der Branche gel­ten: Er war Mitinitiant des Nacht­netzes, entwickelte eine heute von fast allen ÖV­-Betrieben eingesetzte Info-­App für die Fahrerinnen und Fahrer, liess Holzsitze in Busse ein­bauen und in Wetzikon ein Busdepot mit Schulhaus erstellen. Ich habe höchsten Respekt vor ihm als Person und vor seinen Leistungen.

Wie hat sich der öffentliche Verkehr in den letzten 20 Jah­ren verändert?
Wir haben ein dichtes Netz an Verbindungen zu den S-­Bahnen aufgebaut. Während der Hauptverkehrszeiten kann in den meisten Orten im 15-­Minuten­Takt gefahren werden. Die Busse sind komplett niederflurig. In den letzten 30 Jah­ren verdreifachte sich der Personalbestand. Und wir transportieren heute fünfmal mehr Passagiere als damals.

Was fasziniert dich am öffentlichen Verkehr?
Das Lenken von grossen Fahrzeugen faszinierte mich schon immer und bereits als kleiner Junge war ich Fan der VZO. Die blauen Busse ermöglichten mir damals meine ersten Schritte in die selbständige Mobilität. Die aktuell 339 VZO­-Mitarbeitenden leisten jeden Tag rund um die Uhr eine vorzügliche Dienstleistung für unsere Region. Unser «Produkt» ist sinnstiftend, es bringt Menschen vorwärts und zusammen, leistet einen Beitrag zur nachhaltigen Mobilität und redu­ziert den Stau auf der Strasse.

E-­Mobilität ist das Wort der Stunde und deren Umsetzung hast du dir als neuer Direktor auf die Fahne geschrieben.
Bereits heute ist der öffentliche Verkehr dank seiner sehr effizienten und umweltfreundlichen Leistungs­erbringung Teil der Lösung für eine klimafreundliche Mobilität. Der Linienbus der Zukunft ist elektrisch. Mit der schrittweisen Ablösung von Diesel­ durch Elektrobusse werden wir noch klimafreundlicher. Unse­re Dekarbonisierungsstrategie hat zum Ziel, den Busbetrieb bis ins Jahr 2035 CO2­frei zu betreiben. Wie schnell die Umstellung vorwärtsgeht, ist von vielen Faktoren abhängig.

Wann fahren die ersten Elektrobusse auf dem VZO­-Netz?
Bis Ende 2023 nehmen wir die drei ersten E-Busse in Betrieb und star­ten damit in eine neue Ära. Anfang Jahr werden die drei Busse auf den Linien 994 in Rapperswil­-Jona und der Linie 842 Oetwil–Uster einge­setzt.

Was sind die Herausforderungen?
Der Umstieg vom Diesel­- auf den Elektrobus ist mehr als ein Aus­tausch der Antriebstechnik, es be­deutet den Einstieg in ein komplett neues System. Ein heutiger E-­Bus kann einen Dieselbus noch nicht 1:1 ersetzen, weil er mit einer vollen Batterieladung – je nach Topo­grafie und Aussentemperatur – erst zwischen 200 und 250 km weit kommt. Dann muss er für vier bis fünf Stunden an die Steckdose, um Strom zu laden.

Die meisten VZO­Busse fahren aber weitere Strecken.
Das ist richtig. Die meisten VZO- Busse legen täglich zwischen 300 und 350 km zurück. Sie fahren frühmorgens aus der Garage und kommen nach Mitternacht zurück, und das, ohne einen Tankstopp einzulegen. Unsere ersten Elektrobusse können wir folglich nur für kürzere Strecken einsetzen oder für solche, die nur während der Haupt­verkehrszeit am Morgen und am Abend fahren und dann zurück in die Garage an die Steckdose fahren können. Die Reichweiten der Bat­terien sind für uns matchentscheidend. Wir sind sehr zuversichtlich, denn der technologische Fortschritt bei Batterien für Strassenfahrzeuge ist beeindruckend. Jedes Jahr kön­nen sie bei gleicher Einbaugrösse etwas mehr Strom speichern.

Was passiert mit ausgedienten E­-Bus­-Batterien?
Uns ist es wichtig, dass die Altbat­terien aus dem Elektrobus ein zweites Leben erhalten. Das haben auch unsere Fahrzeuglieferanten auf der Agenda und forschen an Lösungen. Stellen Sie sich vor, wir könnten ir­gendwann Altbatterien aus unse­ren E-­Bussen verwenden, z.B. um Solarstrom zu speichern, welchen wir schon heute mit PVA-­Anlagen auf den Dächern der VZO-­Garagen produzieren.

Die E­-Busse sind höher als die heutigen Busse und für die Ladung braucht es Ladestatio­nen. Welchen Einfluss hat das auf die Busdepots?
In unseren Busdepots in Grüningen, Wetzikon und Rüti müssen Strom­zuleitungen und Transformatoren eingebaut werden. Entsprechende Vorarbeiten laufen, die Baubewilli­gungen streben wir bis Ende 2024 an, sodass ab 2025 die Installationsarbeiten starten können und unsere Depots bis im Jahr 2026 elektrifi­ziert sind.

Was bedeutet die E-­Technik fürs Personal?
In den letzten Monaten wurde unser Werkstatt­-Team ausgebildet und die nötige Infrastruktur für die ersten drei Fahrzeuge installiert und getestet. Unsere Chauffeusen und Chauffeure absolvieren derzeit ihre Ausbildung. Wir sind bereit und schalten auf Zukunft.

Apropos Personal:
Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Sind auch die VZO davon betroffen?
Die VZO wachsen weiter und brau­chen entsprechend mehr Personal. In den nächsten zehn Jahren gehen rund 100 VZO­-Mitarbeitende in Pension. Das wird uns in jedem Fall beschäftigen.

Die VZO bekommen regel­mässig gute Noten von den Fahrgästen und auch von den Mitarbeitenden. Worin liegt das Geheimnis?
Die Mitarbeitenden leisten eine an­spruchsvolle Arbeit, mit viel Enga­gement und Herzblut. Sie sind für mich das wertvollste Gut der VZO. Wir pflegen seit jeher einen offe­nen, wertschätzenden Dialog und die Mitsprache der Mitarbeitenden ist uns wichtig. Die Bedürfnisse der Fahrgäste und ihre Rückmeldungen nehmen wir sehr ernst. Durch regelmässige Befragungen erhalten wir wertvolle Inputs.

Letzte Frage: Was tust du, wenn du gerade nicht arbeitest?
Dann bin ich in meinem Garten. Er gibt mir den nötigen Ausgleich zu meiner Kopfarbeit und erdet mich.

Barbara Tudor