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19.10.2024

EZB senkt Zins – Börse freundlich

Christopher Chandiramani: «Aktien bleiben weiterhin interessant. Vermutlich kann man auch bald wieder Papiere auf tiefem Niveau ins Auge fassen.» Bild: Linth24
Die EZB-Zinssenkung und die Nestlé-Zahlen waren jüngst Haupttreiber der Kursavancen auch der Schweizer Börse. SMI plus 1.4 Prozent: 12'327 Punkte. Gold und Kryptos nah am Höchst.

Die Europäische Zentralbank EZB eröffnet eine weitere Phase von Leitzinssenkungen. Das war ihre dritte Aktion in diesem Jahr, die aktuelle Senkung um 0.25 Prozent auf gegenwärtig auf 3.25 Prozent. Weitere Schritte dürften folgen, auch weil die Inflation stärker als erwartet gefallen ist. Sie beträgt im Euro-Raum momentan 1.8 Prozent. Ein weiterer Grund für die Beschleunigung einer Lockerung der Geldpolitik ist die Industrieflaute in Deutschland, eine Konjunkturdelle mit zahlreichen Firmenschliessungen und Insolvenzen. Auch generell tendieren die wirtschaftlichen Frühindikatoren europaweit auf Stagnation.

Die Schweizer Exporte entwickeln sich rückläufig, sind auch nach einem schwächeren September im gesamten dritten Quartal 2024 tiefer ausgefallen als noch in der Vorjahresperiode. Im zweiten Quartal 2024 hatte der Aussenhandel noch ein Wachstum gezeigt. Deutlich tiefer fielen im September die Uhrenexporte aus, die unter einer schwachen Nachfrage aus Asien (China) litten. Klar rückläufig entwickelten sich im Zeitraum von Juli bis September die Exporte der chemisch-pharmazeutischen Produkte (minus 6 Prozent), der grössten Warengruppe. Insgesamt beliefen sich die Schweizer Ausfuhren im September auf CHF 21.95 Milliarden, womit sie zum Vormonat saisonbereinigt um 1.4 Prozent sanken. Real – also um Preisveränderungen bereinigt – resultierte sogar ein Minus von 3.5 Prozent. Die Importe beliefen sich derweil saisonbereinigt auf CHF 18.05 Milliarden (nominal -1.1 Prozent, real +0.6 Prozent).

Unternehmensaussichten

Der Industriekonzern ABB erfreut die Anleger, ist im dritten Quartal gewachsen und hat auch den Gewinn gesteigert. Der Umsatz stieg 2 Prozent auf USD 8.15 Mrd. Der Auftragseingang erhöhte sich in US-Dollar und organisch ebenfalls um 2 Prozent auf 8.2 Mrd. Mit der höheren Auslastung stieg auch die Profitabilität. Die operative Marge (Ebita) erhöhte sich um 1.6 auf 19 Prozent

Der Börsengang des Telecomanbieters Sunrise wird konkret. Der Mutterkonzern Liberty Global hat einen Fahrplan für die Kotierung bekanntgegeben. Die ausserordentliche Generalversammlung, welche der Abspaltung noch zustimmen muss, wird am 25. Oktober stattfinden. Der Start der Kotierung an der Schweizer Börse SIX soll am 15. November folgen.

Der Industriekonzern Sulzer hat in den ersten neun Monaten höhere Aufträge als im Vorjahr verzeichnet. Das Wachstumstempo des ersten Semesters wurde im dritten Quartal gehalten. Von Januar bis September gingen bei Sulzer Bestellungen im Wert von CHF 2.93 Mrd. (+4.6 Prozent). Alle drei Divisionen trugen zum Wachstum bei.

Der Nahrungsmittelriese Nestlé ist in den ersten neun Monaten lediglich um 2 Prozent gewachsen. Zu wenig, um die bisherigen Wachstumsziele fürs Gesamtjahr noch zu erreichen (4 Prozent). Deshalb nahm der neue Chef Laurent Freixe die Umsatz- und Gewinnerwartungen für 2024 herunter. Zudem wird die Konzernleitung verkleinert. Weitere negative Nachrichten gab es keine mehr, so dass sich der Aktienkurs nach einer unterdurchschnittlichen Jahresperformance erholte.

Der Rückversicherer Swiss Re könnte den Jahresgewinn von über USD 3.6 Mrd. verpassen, vermuten Analysten. Die erwarteten Schadenkosten von Hurrikan «Milton» haben jedoch auch positive Auswirkungen, beispielsweise Prämienerhöhungen. Befürchtet werden aber auch direkte und indirekte Schäden durch Streiks und Unruhen.

Der Zementhersteller Holcim erwägt vermutlich eine doppelte Kotierung für sein Nordamerikageschäft, das wie geplant abgespalten werden soll. Es solle gemäss der Nachrichtenagentur Bloomberg sowohl an die US-Börse wie auch an die Schweizer Börse SIX gebracht werden.

Der Lift- und Rolltreppenhersteller Schindler hat in den ersten drei Quartalen 2024 Gegenwind zu spüren bekommen. Von Januar bis September fiel der Umsatz 1,8 Prozent auf CHF 8.4 Mrd. (Chinageschäft schwächer). Der bereinigte Betriebsgewinn Ebit stieg um 7.6 Prozent auf CHF 987 Mio. Unter dem Strich verbesserte sich der Reingewinn um 8.2 Prozent auf 748 Mio.

Der Rechtsstreit über die wertlos gewordenen AT1-Anleihen von CS im Zuge der Notübernahme der CS durch UBS zieht sich hin. Ein Urteil in der Schadensersatzklage von acht CS-Gläubigern gegen die Schweiz wird frühestens für Februar des nächsten Jahres erwartet, berichtet CH-Media unter Verweis auf US-Gerichtsunterlagen. 

Aussichten

Die Berichtssaison hat begonnen, in den USA scheinen vor allem die Banken vom dortigen robusten konjunkturellen Umfeld zu profitieren. Technologieaktien bleiben im Fokus des Interesses infolge der Zukunftschancen von künstlicher Intelligenz (KI). In der Schweiz und Europa sind die Zwischenergebnisse der ersten drei Quartale gemischt. Die freundliche Börsenstimmung ist hier jedoch eher getrieben von der fallenden Zinstendenz. Aktien bleiben weiterhin interessant. Vermutlich kann man auch bald wieder Papiere auf tiefem Niveau ins Auge fassen, die sich im laufenden Jahr kursmässig unterentwickelt haben (Nestlé, Kühne+Nagel usw.). Belasten dürften aber weiterhin die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine.

Christopher Chandiramani, Börsenanalyst und freier Mitarbeiter Linth24