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Hombrechtikon
04.11.2024
05.11.2024 07:14 Uhr

Feldbach plant den Aufstand

Die Emotionen gingen hoch an der Infoveranstaltung über den geplanten Asyl-Pavillon. Bild: Barbara Tudor
Der Gemeinderat will in Feldbach einen Asyl-Pavillon mit 60 Plätzen bauen. Dagegen regt sich Widerstand.

Am 4. November 2024 lud das Forum Feldbach ins Schulhaus Feldbach zu einer Informationsveranstaltung. Und die wurde rege besucht.

Rückblende: Am 17. Oktober 2024 informierte der Gemeinderat Hombrechtikon per Medienmitteilung, dass er den Bau eines Asyl-Pavillons mit 60 Plätzen für rund 5.7 Mio. Franken plant und dieser in Feldbach erstellt werden soll.

Druck vom Kanton

Die Kapazität zur Unterbringung von Asylsuchenden in Hombrechtikon stosse an ihre Grenzen, spätestens seit der Erhöhung der Asylquote des Kantons Zürich auf 1.6 % in diesem Sommer. Für Hombrechtikon heisst das, dass 30 weitere Unterkunftsplätze bereitgestellt werden müssen. Dazu kommen noch weitere Plätze für Personen, welche aufgrund eines Bewilligungswechsels aus dem Asyl-Kontingent fallen, jedoch aufgrund der schwierigen Wohnmarktlage keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Zudem benötigt die Gemeinde Notunterkünfte für Sozialhilfebeziehende. Insgesamt bedeutet dies, dass die Gemeinde für rund 200 Personen Unterkünfte zur Verfügung stellen muss, um die derzeit geltenden gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.

«Hombrechtikon fehlen 60 Plätze»

Aktuell verfügt die Gemeinde gemäss Mitteilung über eigenen Wohnraum in verschiedenen Liegenschaften für rund 50 Personen. Weitere rund 60 Personen leben in von der Gemeinde angemieteten Wohnungen, während 30 Personen in befristeten Zwischennutzungen untergebracht sind. «Hombrechtikon fehlen somit rund 60 Plätze, um den gesamten Bedarf zu decken», so der Gemeinderat.

Gemeinde schnappt Bevölkerung Wohnungen weg

Das Angebot an günstigen Wohnungen in Hombrechtikon werde zunehmend knapper, wodurch das Mieten zusätzlicher Wohnungen immer schwieriger werde. Durch das Zumieten von günstigen Wohnungen für Asylsuchende durch die Gemeinde konkurrenziert das sozusagen die eigene Bevölkerung. Denn je mehr günstige Wohnungen die Gemeinde für Asylsuchende mietet, umso kleiner wird das Angebot für alle anderen.

Darum soll in der Gemeinde ein Asyl-Pavillon nach dem Vorbild anderer Gemeinden, u.a. am Beispiel von Gossau ZH, erstellt werden. Der Bau für 60 Plätze soll rund 5.7 Mio. Franken kosten (mit Reserve von 15 %), also 95'000 Franken pro Platz.

Standortanalyse sieht Feldbach als «geeignet»

An seiner Sitzung vom 1. Oktober 2024 hat der Gemeinderat nicht nur beschlossen, einen Holzpavillon für rund 60 Personen zu erstellen, er hat auch bereits einen Standort dafür definiert: Eine Standortanalyse habe ergeben, dass sich das Grundstück bei der Zivilschutzanlage in Feldbach, neben dem Fussballplatz (Parzelle 368, siehe Bild), am besten dafür eigne. «Dieser Standort bietet ausreichend Platz und ist sowohl für Familien wie auch für Einzelpersonen praktisch gelegen», schreibt der Gemeinderat in seiner Mitteilung. Die Freizeitanlagen, die Einkaufsmöglichkeiten und zum öffentlichen Verkehr seien «einfach und schnell erreichbar».

Der Gemeinderat drückt aufs Gaspedal: Bereits am 9. Februar 2025 soll an der Urne darüber abgestimmt werden.

Auf der Parzelle 368 in Feldbach, neben dem Fussballplatz, soll der Asyl-Pavillon gebaut werden. Bild: GIS Browser Kanton ZH

Aufgeladene Stimmung

Zurück nach Feldbach. An dem nebligen Montagabend fanden sich viele Feldbacherinnen und Feldbacher im gleichnamigen Schulhaus ein. Das Schulzimmer mit Englisch-Voci an der Wand und gebastelten Weltkugeln an der Decke war zum Bersten voll. Die Menschen sassen an den Festbänken, auf Kinderstühlen, standen dicht gedrängt am Fenster oder sassen am Boden. Es waren geschätzt gegen 80 bis 90 Personen. Gemessen an der Feldbacher Bevölkerung mit 492 Einwohnern eine beachtliche Zahl. Von solchen Quoten kann eine Gemeindeversammlung nur träumen.

Schon vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung war klar: Da wird es zu reden geben. Still war es in dem Raum denn auch nur kurz, als Balz Schlittler, Präsident vom Forum Feldbach, mit einer Glocke um Ruhe bat und die Anwesenden begrüsste. «Wir haben mit vielleicht 50 Leuten gerechnet», sagte dieser mit einem Schmunzeln einleitend. Danach wurde er ernst: Am 17. Oktober habe man die Nachricht erhalten, dass in Feldbach ein Asyl-Pavillon geplant sei und dass man die Anwohnerschaft im kleinen Kreis zu einer Informationsveranstaltung einladen wolle.

Doch die Medienmitteilung machte schnell die Runde. So schnell, dass das Forum aktiv wurde und gemeinsam mit der Gemeinde Hombrechtikon zur Informationsveranstaltung für Interessierte lud. Entsprechend gross war die Vertretung der Hombrechtiker Behörden. Neben Gemeinderat Thomas Wirth waren auch Eugen Gossauer (Gemeinderat Vorstand Gesellschaft), Monika Schmid (Abteilungsleiterin Gesellschaft und Soziales), Nicolaj Weber (Asylkoordinator), Ralf Bhend (Liegenschaften-Bewirtschafter) und Stefan Bannwart (Sozialarbeiter) zugegen. Von ihnen sprachen an dem Abend aber nur wenige.

«Es kann nicht das Ziel sein, der Bevölkerung günstigen Wohnraum wegzunehmen.»
Thomas Wirth, Gemeinderat Hombrechtikon

«Kein Selbstzweck»

Gemeinderat Thomas Wirth informierte die Anwesenden über das Projekt. Es gehe nicht um Selbstzweck und man wäre froh, wenn man den Pavillon nicht bauen müsste. Doch die Erhöhung der Asylquote lasse keine andere Wahl zu. Wirth erläuterte u.a. die Asylquote und zeigte die aktuellen Zahlen im Asylbereich auf. Er betonte die Problematik, dass die Gemeinde durch das Zumieten von günstigem Wohnraum in der Gemeinde in direkter Konkurrenz mit der Bevölkerung stehe, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sei. «Es kann nicht das Ziel sein, der Bevölkerung günstigen Wohnraum wegzunehmen.»

Es sei dem Gemeinderat bewusst, dass nicht alle von der Idee begeistert seien. Doch der Pavillon biete gegenüber dem Mieten von Containern Vorteile, v.a. auf lange Sicht. Und damit rechnet der Gemeinderat offensichtlich. Denn gemäss Regierungsrat Mario Fehr soll die Asylquote im nächsten Jahr nicht erhöht werden. Dennoch geht man davon aus, dass sich die Situation in den nächsten Jahren nicht entspannen wird. Darum müsse man eine langfristige Lösung suchen. Und die sei mit dem Pavillonbau gegeben. Es sei «die beste Lösung für Hombi».

Feldbach als Standort «am besten geeignet»

In einer Standort-Evaluation habe man insgesamt 10 Standorte innerhalb der Gemeinde Hombrechtikon geprüft. Dies sei in Zusammenarbeit mit einem Architekturbüro, das Erfahrung in diesem Bereich habe, durchgeführt worden. Dabei hätten sich drei Standorte herauskristallisiert: Altes Dörfli, beim Gemeindesaal und eben in Feldbach bei der Zivilschutzanlage mit der grössten Punktzahl (wobei Feldbach nur wenige Punkte mehr als die anderen beiden Standorte aufwies).

Wenn es nach dem Gemeinderat geht, soll schon im Februar 2025 die Baubewilligung vorliegen, der Bezug soll im Winter 2025 sein.

«Ein Schildbürgerstreich»

Während der Präsentation von Thomas Wirth ging mehrmals ein Raunen durch den Raum und es wurde verärgert gemurmelt. In der anschliessenden Fragerunde wurde aus dem einzelnen Gemurmel zunehmend ein grosser, klarer Widerstand. Die Feldbacherinnen und Feldbacher fühlen sich über den Tisch gezogen und sehen nicht ein, warum sie als kleiner Teil von Hombrechtikon die grösste Last tragen sollen. «Das steht in keinem Verhältnis zur Bevölkerungszahl von Feldbach, die mit nicht mal 500 Einwohnern bescheiden ist», sagte ein Anwesender.

Rechnet man die Asylquote von 1.6 % auf die Bevölkerung in Feldbach herunter, so wären das 8 Asylsuchende für Feldbach, nicht die geplanten 60. Eine Dame meinte: «Wenn wir in Feldbach nur so wenige aufnehmen müssen, dann nehme ich einen!»

Einen «Schildbürgerstreich» nannte ein Feldbacher das Vorgehen des Gemeinderates. Die Standortanalyse sei eine Farce, weil die Auswahlkriterien von der Gemeinde selbst getroffen worden seien und von Leuten, die Feldbach nicht kennen würden. Ein anderer sagte: «Feldbach ist seit Jahren gleich gross, Hombrechtikon aber wächst und wächst.» Applaus im Klassenzimmer.

Man hätte lieber den Pumptrack in Feldbach gehabt

Ein Anwesender erhob schwere Vorwürfe an den Gemeinderat. Vor 25 Jahren habe man Abklärungen getätigt und sei zum Schluss gekommen, dass sich das Areal Holflüe für ein Durchgangszentrum eigne. Es sei «extrem verwerflich», dass man den Platz nun für einen Pumptrack hergegeben habe, den man gut auch in Feldbach hätte platzieren können. Wirth entgegnete, dass es sich dabei um eine Einzelinitiative gehandelt hatte, die von der Gemeindeversammlung angenommen wurde.

Hauruck-Übung?

An dem Abend wurde deutlich, dass der Gedulds- und Solidaritätsfaden für Menschen in Not – nicht nur in Feldbach – langsam reisst. Die Feldbacherinnen und Feldbacher fühlen sich übergangen. Man stellt sie vor Tatsachen und lässt ihnen keine Zeit. Die Einladung von Gemeinderat Thomas Wirth, man könne noch Verbesserungsvorschläge an die Liegenschaftsabteilung senden, z. B. was die Begrünung anbelangt, ist für die Menschen wie ein Schlag ins Gesicht.

Ein Bewohner fragte, warum der Gemeinderat dieses Projekt nicht in einem Mitwirkungsverfahren angegangen sei, das dann breiter abgestützt wäre. Gemeinderat Wirth antwortete, dass dies «nicht zielführend» gewesen wäre, weil jeder die Asylunterkunft woanders haben wolle. Eine Dame fragte, ob die 60 Plätze ausreichen oder ob man bereits ab 2026 mehr Platz brauche und man dann einfach in Feldbach weiter ausbaue. Diese Frage konnte keiner der Gemeindevertreter beantworten. Man gehe aber nicht davon aus. Das reicht den Feldbacherinnen und Feldbachern nicht als Antwort. Und sie wollen definitiv nicht eine so grosse Last tragen.

Ein Mann fand klare Worte: «Wir müssen jetzt wissen, was unsere rechtlichen Möglichkeiten sind. Welche Schritte sind nötig, um das zu verhindern?» Wirth meinte dazu etwas salopp: Wenn die Vorlage am 9. Februar 2025 angenommen werde, könne man eine Stimmrechtsbeschwerde einreichen.

Ein Bürger fragte, ob der Gemeinderat die Vorlage nicht zurückziehen könne, um sie neu im Mitwirkungsverfahren aufzugleisen. Eine Antwort blieb an dem Abend aus.

«Wir ticken hier in Feldbach etwas anders als im Dorf oben.»
Anwohner von Feldbach

Die Sorgen sind gross – die Vorurteile auch

Einige fragten, warum die Nähe zum öV wichtig sei, wie viel Geld ein Asylsuchender bekomme oder was denn Asylsuchende den ganzen Tag täten. Wiederum andere äusserten ihre Ängste vor den fremden Menschen. Eine Mutter sagte: «Wenn die da hinkommen, werde ich meinen Kindern verbieten, auf den Fussballplatz zu gehen.» Eine ältere Dame fragte: «Werden wir dann ein Drogenproblem am Bahnhof Feldbach haben, dem schönsten Bahnhof in der Schweiz?» Ein anderer fragte: «Wie will man diese Flüchtlinge hier im 'Gjätt usse' integrieren?» Man ticke hier in Feldbach etwas anders als im Dorf oben.

Die Kommentare über die Asylsuchenden, auch hinter vorgehaltener Hand, waren teilweise grenzwertig. Auch als ein älterer Mann von drei «andersfarbigen» Kindern erzählte, die neulich mit Holzstecken «Pistole schiessen» gespielt hätten. Welcher kleine Junge (und Mädchen!) – ob Schweizer oder Ausländer – hat in seiner Kindheit nicht einmal Räuber und Polizist gespielt...

Die Angst vor dem Unbekannten war vielen ins Gesicht geschrieben. Nur wenige äusserten sich zugunsten der Asylsuchenden und appellierten, man solle nicht Angst haben. «Wir befürchten Straftäter, aber es kommen Menschen», sagte ein Mann. Und eine Mutter sagte: «Meine Kinder freuen sich, wenn es mehr Kinder gibt. Sie planen bereits eine Fussballmannschaft. Es gibt also auch Leute, die sich freuen.»

Doch die Sorgen der Feldbacherinnen und Feldbacher scheinen begründet. Sozusagen im stillen Kämmerlein wurden Standortanalysen vorgenommen und ein Entscheid gefällt. Die Bevölkerung wurde aussen vor gelassen und wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Chancen für den Gemeinderat stehen gut, dass der Grossteil der Hombrechtiker die Asylunterkunft lieber in Feldbach sieht als bei sich vor der Türe und deshalb Ja stimmen wird. Das Nachsehen haben dann wohl die Feldbacher. Es sei denn, es gibt doch noch eine Wendung...

Die Ergebnisse der Standort-Evaluation sowie weiterer Unterlagen will der Gemeinderat in den nächsten Tagen online aufschalten: www.hombrechtikon.ch. Wer Verbesserungsvorschläge einbringen will, kann dies an liegenschaften@hombrechtikon.ch tun.

> Medienmitteilung vom 17.10.24

Barbara Tudor