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Hombrechtikon
13.02.2025
13.02.2025 16:23 Uhr

18'000 Jahre Vegetationsgeschichte

Proben haben ergeben, dass der Lützelsee mindestens 18'000 Jahre alt sein muss. Bild: Thomas Stadler, Zürich/Fabian Rey, Forschungsgruppe Geoökologie, Basel
Fabian Rey von der Forschungsgruppe Geoökologie der Universität Basel hat den Lützelsee in Hombrechtikon untersucht und dabei Erstaunliches über die Vegetations- und Landwirtschaftsgeschichte im Zürcher Oberland herausgefunden.

Die Arbeiten der Forschungsgruppe begannen bereits im September 2019. Damals wurde eine Bohrung am Lützelsee durchgeführt, bei der insgesamt fast 10 Meter Seeablagerungen an der tiefsten Stelle des Sees aus ca. sechs Meter Wassertiefe entnommen wurden. In der untersten Schicht stiess man auf die Grundmoräne aus der letzten Eiszeit, bestehend aus runden Steinen sowie Sand und Kiesablagerungen.

Um das Alter der Sedimente zu bestimmen, wurden die Sedimentkerne sorgfältig untersucht und gesiebt. Dabei suchte man nach pflanzlichen Überresten wie Blättern, Samen und Nadeln.

«Die Proben weisen darauf hin, dass der Lützelsee mindestens 18 000 Jahre alt ist.»
Fabian Rey

55 Proben aus dem Lützelsee 

Pflanzen nehmen während ihres Lebens Kohlenstoff auf, wovon ein Teil radioaktiv ist (C-14). Wenn eine Pflanze stirbt, beginnt der C-14-Gehalt langsam zu sinken. So kann man das Alter eines Pflanzenrests durch die Menge des verbleibenden C-14 bestimmen. «Am Lützelsee wurden 55 Proben analysiert, was für den Kanton Zürich bzw. sogar schweiz- und europaweit eine besondere Dichte an Datierungen darstellt», sagt Rey.

Tiere wie Mammuts

«Die ältesten Proben ergaben ein Alter von rund 17'000 Jahren, was darauf hinweist, dass der See mindestens 18'000 Jahre alt ist.» Zusätzlich wurden 433 Pollenproben untersucht. Dabei konnte man die Vegetation aus verschiedenen Perioden rekonstruieren.

In der ältesten Schicht (18'000 bis 14'500 Jahre vor heute) gab es hauptsächlich Krautpflanzen, was auf eine Tundra mit grasenden Herden von Mammuts, Rentieren und Wollnashörnern rund um den Lützelsee hinweist. Vor etwa 14'500 Jahren führte eine Erwärmung zu einer raschen Ausbreitung von Wäldern. Zuerst breiteten sich boreale Wälder mit Bäumen wie Föhre und Birke aus, später prägten Eichen- und Buchenmischwälder die Landschaft im Zürcher Oberland.

  • Sediment - Lützelsee - Wiederbewaldung Bild: Thomas Stadler, Zürich/Fabian Rey, Forschungsgruppe Geoökologie, Basel
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  • Sediment - Lützelsee - Basis Bild: Thomas Stadler, Zürich/Fabian Rey, Forschungsgruppe Geoökologie, Basel
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  • Pollenpräparat - Jungsteinzeit Bild: Thomas Stadler, Zürich/Fabian Rey, Forschungsgruppe Geoökologie, Basel
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  • Pollenpräparat - Buchenmischwald Bild: Thomas Stadler, Zürich/Fabian Rey, Forschungsgruppe Geoökologie, Basel
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  • Pollenpräparat Borealer Wald. Bild: Thomas Stadler, Zürich/Fabian Rey, Forschungsgruppe Geoökologie, Basel
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Nutzung von Hanf

Ab etwa 7'000 Jahren vor heute zeigte sich der menschliche Einfluss. Die Menschen wurden sesshaft, begannen Ackerbau zu betreiben und rodeten Wälder für die Landwirtschaft. «Holzkohlepartikel in den Sedimenten zeugen von den durch Feuer verursachten Rodungen. Zudem kam es im Laufe der Zeit auch zu ersten forstwirtschaftlichen Eingriffen wie der bewussten Förderung bestimmter Baumarten, z. B. Eichen für die Eichelmast ab der späten Eisenzeit vor rund 2'500 Jahren», erklärt Rey. 

Über die Jahrhunderte gab es immer wieder Phasen der Wiederbewaldung, besonders nach Krisenzeiten wie Klimaveränderungen. Während der Völkerwanderungszeit nach dem Fall des Römischen Reichs erholte sich der Buchenmischwald, doch ab dem Mittelalter wurden die Wälder erneut grossflächig gerodet. «Ein interessantes Detail ist die Nutzung von Hanf am Lützelsee, der dort früher geröstet wurde, um Fasern zu gewinnen – eine Praxis, die mit dem Aufkommen der Baumwolle aufgegeben wurde», so Rey.

Bemerkenswerte Entwicklung des Lützelsees

«Der Lützelsee mit einer Geschichte von fast 18'000 Jahren hat sich durch eine bemerkenswerte Entwicklung in Bezug auf Vegetation und menschliche Landnutzung ausgezeichnet», führt Rey aus. Die klassische Abfolge der Vegetationsgeschichte begann mit einer Steppe und Tundra, die sich in einen borealen Wald verwandelte. «Etwa 10'000 Jahre vor heute breiteten sich dann Eichenmischwälder aus, bevor sich die Buchenmischwälder etablierten, die das Gebiet ohne die menschliche Nutzung bis heute prägen würden.»

Bereits in der Jungsteinzeit habe der Mensch begonnen, das Umland des Lützelsees zu verändern. «Die Landnutzungsphasen dieser Zeit waren oftmals überregional und gingen mit der Entwicklung von Pfahlbauten und frühen Ackerbaukulturen einher. Besonders hervorzuheben ist die bewusste Förderung der Eiche ab der späten Eiszeit, vor allem für die Eichelmast, die der Viehzucht diente.» 

Mit der Einführung moderner Landwirtschaftstechniken wandelte sich die Landnutzung schliesslich von einem Ackerbau zu einem Viehwirtschaftsmodell, was die Region nachhaltig geprägt habe. «Diese Entwicklung zeigt den Wandel von einer natürlichen Vegetationslandschaft hin zu einer durch den Menschen intensiv genutzten Kulturlandschaft über die letzten 18'000 Jahre.»

Gabriela Gasser