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Kultur
12.05.2025
13.05.2025 16:45 Uhr

Stehende Ovationen für neue Ballettchefin

Nancy Osbaldeston und Benjamin Braddock setzten eine anspruchsvolle Choreographie perfekt um... Bild: PD Opernhaus
Mit einem Dreiteiler zieht die neue Ballettchefin Cathy Marston am Opernhaus Zürich das Publikum in «Countertime» in eine Art nostalgischen Bann. Premiere war am Wochenende und diese wurde mit stehenden Ovationen gefeiert.

«Zurück in die Vergangenheit» lautet das Motto der neuen Ballettproduktion. «Countertime» vereint Choreografien von Kenneth MacMillan, Bryan Arias und Cathy Marston. Zentral ist dabei das Handlungsballett «Mrs.Robinson». Es ist in etwa die Story, wie man sie aus dem Kultfilm « The Graduate» (die Reifeprüfung) mit Anne Bancroft und Dustin Hoffman im Streifen von Mike Nichols kennt.

Aufgebrochene Strukturen

Gesellschaftliche Strukturen werden aufgebrochen. Eine ältere Frau beginnt eine Affäre mit einem viel jüngeren Mann. Das Ballett «Mrs Robinson» fokussiert aber, anders als im Film, ganz auf die Figur der Verführerin. Das expressiv aufgeladene Bewegungsvokabular der Gastsolistin Yun -Su Park ist einzigartig. Sie verleiht der Figur jene Spannung, die das Publikum völlig für sie einnimmt und mit ihr lieben, leiden und hassen lässt im Moment der totalen Demütigung durch den jungen Lover. Eine grossartige Mischung aus perfekter Technik und starker Darstellungskraft.

Grosse Symbolik

Der Aufbruch in ein neues Leben ausserhalb der gewohnten Konventionen wird im Schlussbild stark. Symbolisch steht Mrs.Robinson am Gartentor zur Aussenwelt. Bühnenbild und Lichtgestaltung verschmelzen im ganzen Stück stark mit der aufgeladenen Handlung zur Musik von Terry Davies. Der getanzte Liebesakt mit vielen Schattierungen der Leidenschaft, lässt aber auch einen leisen Anstrich von Heiterkeit zu. Etwa dann, wenn sich Mrs.Robinson–als Zitat aus dem Kultfilm– übertrieben lasziv ihre Strümpfe hochzieht.

Akrobatische Entschlossenheit

Lucas von Rensburg aus dem Junior Ballett tanzt die Rolle des Benjamin mit akrobatischer Entschlossenheit von ausdrucksstark fliessenden Bewegungen und durchmisst die Bühne mit sicheren Sprüngen. Im Pas-de–Deux mit Nehanda Péguillan, welche die Rolle der Tochter Elaine tanzt, zeigt er seine Wandlungsfähigkeit. Jene Szenen sind von Leichtigkeit und Lieblichkeit durchdrungen. Diejenigen mit Mrs. Robinson teilweise von roher Sinnlichkeit und Hunger nach Sex.

... reissen das Publikum von den Sitzen. Bild: PD Opernhaus

Nüchterner Beginn

Das Eingangs gezeigte Ballett «Concerto» in der Choreografie von Kenneth Mac Millan eröffnet den dreiteiligen Abend nüchtern, schlicht und streng. Basierend auf dem Klavierkonzert von Schostakowitsch (Klavier:Katerina Tereshenko) vermittelt die Choreografie in der ausgeklügelten Lichtregie und den körperbetonten Kostümen neoklassizistische Unterkühlung.

Assoziationen an einen Ballettsaal

Das Stück ruft Assoziationen an einen Ballettsaal hervor, wo hart trainiert wird. Die Thematik des Eröffnungsstückes reicht ebenfalls in die 60er Jahre zurück, es wurde 1966 in der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt und ist ein Zeitdokument. Herausragende Technik dominiert die solistischen Leistungen.

Konzentrierte Schlichtheit

Es sind Bewegungen von konzentrierter Schlichtheit und gleichzeitig starker Strahlkraft. Brillant getanzt als choreografische «Poesie der Strenge».
Das Schlussstück nach Musik von Leonard Bernstein macht seinem Namen « Colorful Darkness» alle Ehre.

Tänzer und Tänzerinnen erinnern zeitweise in ihren bunten Kostümen, die sich aus der Tiefe der mehrheitlich dunklen Bühne herausschälen, wie Schratte oder Kobolde.

Bekannte Themen in neuer Dimension

Alpträume wie in endlosen Nächten werden suggeriert. Die bekannten Musikthemen wie etwa «Maria» oder «Somewhere» aus «West Side Story» erfahren in der Choreografie von Bryan Arias eine ganz neue Dimension und spielen im Karneval von Puerto Rico. In diesem Sinne steht der dritte Teil des Ballettabends quasi sinnstiftend und selbstredend unter dem Zitat von Leonard Bernstein: «Ein Kunstwerk beantwortet keine Fragen, es provoziert sie.» Die Choreografie «Colorful Darkness» überzeugt als tänzerischer  Parforceakt durch den starken Auftritt aller Ausführenden.

Weitere Vorstellungen:  16., 23., 25 Mai: 5., 25., 27. Juni.

Ursula Litmanowitsch