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Kanton
13.05.2025
14.05.2025 07:32 Uhr

Leben ohne Smartphone

Ein Leben ohne Smartphone: Während die Gesellschaft immer digitaler wird, hält eine kleine Minderheit bewusst am analogen Alltag fest. Bild: KI
Die Zürcher Piratenpartei fordert ein Recht auf ein Offline-Leben. Im Kantonsrat stiess das Anliegen auf Widerstand – nun könnte das Volk entscheiden.

Hanspeter Mosch zählt zu einer kleinen Minderheit. Er lebt ganz ohne Smartphone. Keine sozialen Medien, keine Apps, keine digitale Navigation. Ein klassisches Festnetztelefon genügt ihm. Damit gehört er zu den 2,6 Prozent der Schweizer Bevölkerung, die laut Bundesamt für Statistik keinen mobilen Internetzugang besitzen.

Der Alltag aber wird zunehmend digitaler – Bahnbillette, Veranstaltungstickets und Fahrpläne sind vielfach nur noch online verfügbar.

Recht auf analoges Leben

Die Zürcher Piratenpartei will mit einer Volksinitiative gegensteuern. Ihr Ziel: ein gesetzlich verankertes Recht auf digitale Integrität und damit auch auf ein Leben ohne Internetverbindung. Am Montag befasste sich der Zürcher Kantonsrat mit dem Anliegen. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur technikferne Personen betroffen sind. Auch Kinder sollten laut der Partei nicht gezwungen sein, ein Smartphone zu besitzen, nur um ein Ticket zu kaufen.

Hanspeter Mosch, ein pensionierter Mechaniker aus St. Gallen, ist überzeugt: Man kann auch heute noch ohne Smartphone leben. Doch es wird zunehmend schwieriger. QR-Codes auf Einzahlungsscheinen oder Online-Buchungen bringen ihn gelegentlich in Schwierigkeiten. Trotzdem schätzt er seine Unabhängigkeit – für ihn ist es ein Privileg, auf digitale Geräte verzichten zu können.

Kritik an digitalem Zwang

Mosch sieht in der wachsenden Technologisierung eine problematische Entwicklung. Die ständige Erreichbarkeit und der Blick aufs Display seien zur Norm geworden. Die Ruhe an der Bushaltestelle oder der Griff zu einem Buch werde zur Seltenheit. In seiner Freizeit bastelt er in der Werkstatt, liest oder singt im Chor. Auf Reisen nutzt er ein dreirädriges E-Fahrzeug mit Navigationssystem – Technik lehnt er nicht grundsätzlich ab, aber sie solle sinnvoll eingesetzt werden.

Der digitale Wandel bringt jedoch nicht nur gesellschaftliche, sondern auch rechtliche Fragen mit sich. Anwalt Martin Steiger betont, dass es weniger um ein reines Offline-Dasein gehe als um Datenschutz und Selbstbestimmung. Zwar garantiere die Bundesverfassung bereits den Schutz der Privatsphäre, in der Praxis seien die gesetzlichen Grundlagen aber unzureichend.

Kompromiss im Kantonsrat

Im Zürcher Kantonsrat fand ein Gegenvorschlag zur Initiative eine Mehrheit. Er setzt zwar auf digitale Lösungen, fordert aber gleichzeitig, dass analoge Alternativen angeboten werden, wenn es praktikabel ist. Die FDP und SVP lehnten dies ab. Sie sehen die Verantwortung auf Bundesebene und befürchten kantonale Alleingänge.

Die Mehrheit der übrigen Parteien unterstützte den Vorschlag. Für die GLP ist er ein tragfähiger Kompromiss, der die Verwaltung funktionsfähig hält und gleichzeitig niemanden ausschliesst. Auch Sozialleistungen sollen ohne digitale Barrieren zugänglich bleiben. Der Grüne Kantonsrat Benjamin Krähenmann betonte, es gehe um die breite Verfügbarkeit staatlicher Leistungen – unabhängig vom technischen Zugang.

Initiative bald zur Abstimmung

Für die Piratenpartei geht der Gegenvorschlag jedoch nicht weit genug. Renato Sigg kritisiert die vagen Formulierungen. Das explizite Recht auf ein Offline-Leben wurde gestrichen. Auch Kontrollmechanismen bei KI-Anwendungen hält er für unzureichend. Deshalb dürfte die Initiative vors Volk kommen. In anderen Kantonen, wie Genf und Neuenburg, fand sie bereits Zustimmung. In Basel steht eine Abstimmung bevor.

Ob ein digitales Grundrecht gesetzlich verankert wird, bleibt offen. Klar ist jedoch: Die Debatte über digitale Selbstbestimmung ist in der Gesellschaft angekommen.

Goldkueste24