In einer ehemaligen Turbinenhalle in Birr im Kanton Aargau treibt das ETH-Spin-off MESH die Digitalisierung der Bauwirtschaft voran. Auf 800 Quadratmetern entwickelt das Unternehmen um Ammar Mirjan und Mattis Koh Robotertechnologie, die das Arbeiten mit Armierungseisen automatisiert. Die Firma, gegründet vor drei Jahren, beschäftigt rund zehn Mitarbeitende.
Die Anfänge von Mitgründer Mirjan liegen bei ABB, wo er eine Lehre als Automatiker absolvierte. Später folgten das Architekturstudium und ein Doktorat an der ETH Zürich bei Gramazio Kohler Research. Die heutige Technik von MESH basiert auf mehreren Forschungsprojekten, darunter dem Nationalen Forschungsschwerpunkt Digitale Fabrikation.
Formen neu gedacht
In der Halle stehen gebogene Wände aus Bewehrungseisen – teils mit Natursteinen oder Beton ausgefüllt. Ein Roboterarm greift, biegt, platziert und verschweisst die Eisen völlig selbstständig. Möglich wird das durch eine eigens entwickelte Software, die digitale Entwurfsdaten verarbeitet und direkt an die Maschine übermittelt. So entstehen Formen, die von Hand kaum umsetzbar wären.
Die Technologie eröffnet neue gestalterische Freiheiten: Architekten erhalten nun direkten Zugang zur Bewehrungskonstruktion, was neue kreative Ansätze ermöglicht. Die Technik kam etwa beim Projekt Tor Alva in Mulegns zum Einsatz, einem 3D-gedruckten Bauwerk mit innovativer Armierung.
Digitales Bauen trifft auf Kunst
Auch an der Architekturbiennale in Venedig zeigt MESH gemeinsam mit Gramazio Kohler Research und dem Künstler Armin Linke, wie digitale Fertigung Architektur verändern kann. In den Arsenale schwebt eine Installation aus drei Gitterringen aus Armierungseisen, in deren Mitte ein humanoider Roboter von der Zukunft des Bauens träumt.
Doch nicht nur Kunst und Prototypen stehen im Fokus: «Wie die Digitalisierung die Architektur verändern wird, ist nach wie vor eine offene Frage», sagt Inés Ariza, Forschungsleiterin des Projekts.
Automatisierung gegen Fachkräftemangel
Weil der Markt für komplexe Formen begrenzt ist, weitet MESH sein Geschäftsmodell aus. So automatisieren die Roboter inzwischen auch die Verarbeitung herkömmlicher Bewehrungseisen. Ein grosser Bügelbiegeautomat formt die Eisenstäbe, während ein Roboter die Teile sortiert und stapelt – ein Job, der bisher manuell und körperlich belastend war.
Damit begegnet MESH dem Fachkräftemangel auf Baustellen und trägt dazu bei, dass individuelles Bauen trotz steigender Löhne wirtschaftlich bleibt. Denn kaum ein Bauteil gleicht dem anderen – jede Treppenarmierung erfordert individuelle Anpassungen.
Effizienz für den Gotthardtunnel
Besonders sichtbar wird das Potenzial der Technik beim Bau des zweiten Gotthardstrassentunnels. Dort fertigen Roboter die Bewehrung für rund 10'000 Betonelemente vor. Sie erkennen, kontrollieren und verschweissen die Eisen an den Kreuzpunkten – ein Verfahren, das Zeit und Kosten spart.
MESH kombiniert Forschung, Praxis und unternehmerisches Denken. Spezialprojekte wie Tor Alva oder die Biennale helfen, die Technik weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die Innovationen breit in der Bauwirtschaft zu verankern und langfristig nachhaltige Impulse zu setzen.