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18.10.2021

Der Mittelstand wird aus der Stadt vertrieben

Wenn Staat und Stadt in den Immobilienmarkt eingreifen , dann entsteht eine Schieflage. Bild: Ginesta Immobilien.
Aktuell wird der Corona-Krise die Stadtflucht des Mittelstandes angedichtet, was aber unter Anbetracht der diversen Einflüsse auf diese Entwicklungen zu kurz greift.

Es ist höchstens das letzte Tröpfchen ins schon volle Fass der städtebaulichen Fehlentscheide, dem grün-roten Forcieren des subventionierten Wohnungsbau und den Investoren in den Weg gelegten Steinen. Denn, wenn das Bauen neuer Mietwohnungenn erschwert wird und ein Drittel der Wohnungen unerreichbar ist, wird es zwangläufig knapp mit bezahlbarem Wohnraum für alle, die weder von Subventionen profitieren, noch reich sind.

Nichts gelernt

  • Genf hat den umstrittenen Sozialwohnungszwang.
  • Berlin hat versucht, mit einem Mietzinsdeckel den Markt zu beeinflussen, was aber richtigerweise vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde.
  • In der ganzen Schweiz gibt es das beste Beispiel für die Fragwürdigkeit des Eingreifens in den Immobilienmarkt mit der Durchsetzung des Zweitwohnungsgesetzes.

Dieses verunmöglicht neuen Wohnraum und so spielen die natürlichen Gesetze von Angebot und Nachfrage.

Entsprechend steigen die Preise für Zweitwohnungen in den Bergen massiv. Für die meisten Schweizer bleibt die Ferienwohnung in den Bergen ein Traum, und wird es auch für immer bleiben, wenn nicht irgendwann eine Kehrtwendung geschieht.

Was tut Zürich heute?

Es nimmt Einfluss auf den Immobilienmarkt. Die grösste Stadt der Schweiz bewegt sich selber in eine Wohnraumknappheit. Die Mehrheit der Menschen, die diese Wohnungen mieten würden, sind eine wichtige Basis für langfristige Steuersicherheit, Ausgeglichenheit und Attraktivität der Stadt. Zeit also, einen Blick auf die Mosaiksteien dieser unheilvollen Entwicklung zu werfen.

Erschwerung beim Erstellen von neuem Wohnraum.

Auch wenn seit dem Jahr 2000 die Wohnfläche um 23 Prozent gestiegen ist, so ist die Trendwende gekommen. Während 2018 noch 3‘380 Wohnungen erstellt wurden, waren es 2020 nur 1‘772.

Ein Grund dafür ist, dass Grossprojekte von der Stadt nur noch dann gutgeheissen werden, wenn sie einen Anteil an Sozialwohnungen vorsehen. Was die Investoren «Erpressung» nennen, nennt der Stadtrat «wohlwollende Prüfung und Förderung von neuen Bauvorhaben».

Bauen ist in Zürich keine einfache Angelegenheit. Noch ein Faktor, der eine gesunde Bautätigkeit einschränkt, ist die Tatsache, dass in der Bauzonenordnung dem Schutzregister ISOS eine stärkere Bedeutung beigemessen werden soll. Dies interveniert nicht nur bei einzelnen Bauten, sondern in der ganzen Schweiz bei schützenswert erachteten Ortsbildern. Zürich hat viele davon.

Dies erschwert die Erneuerung bestehender Bausubstanz oder kann dringend notwendige Aufzonungen blockieren und gar verhindern.

Uster – gutes Beispiel

Es braucht ein dickes Fell und Geduld, wenn man trotz allem ein Baugesuch einreichen möchte, denn die Stadt verzögert die Bewilligung von Bauvorhaben. Viele liegen deutlich länger in der Prüfung, nämlich bis zu neun Monaten statt der üblichen drei.

Bei einem Rekurs oder einem anderen Problem ziehen noch einmal zwei weitere Jahre ins Land. Wenn die Stadt die Bauherren wieder mit fragwürdigen Bauentscheiden konfrontiert, gehen nochmals drei bis acht Monate ins Land.

Hier geht Uster mit gutem Beispiel mit ihrem «New Public Management» voran, indem sie die Bauherren rasch anrufen, wenn Probleme beim Bauentscheid auftauchen. Zürich gibt Corona als Grund für die Verzögerungen an.

Wenn man meint, dass man endlich einen Schritt weitergekommen ist, dann kommt die Frage nach dem Lärmschutz.

«In der Art, wie der Lärmschutz heute gesetzlich geregelt und neuerdings von den Gerichten interpretiert wird, dient er lediglich als Instrument, um Wohnbauten in städtischen Gebieten zu verhindern. Damit werden auch sinnvolle Lösungen praktisch verunmöglicht.»
NZZ 2020.

Unter so vielen Hürden wundert es wenig, dass die Zahl der dringend nötigen Wohnungen in nur zwei Jahren fast um die Hälfte gesunken ist.

Der Gewinn von Stimmen wird über diesen von neuem Wohnraum für den Mittelstand gestellt.

Im Jahr 2015 waren gemäss statistischem Amt 24,9 Prozent der Mietwohngen nicht gewinnbringend vermietet und weitere 9,3 Prozent waren in privatem Besitz in Stockwerkeigentümergemeinschaften.

Aktuell ist die Quote der nicht gewinnbringend vermieteten Wohnungen bereits bei 27 Prozent und der Stadtrat plant, diese auf einen Drittel zu erhöhen. Das spürt man auch bei den Baueingaben. Nur Grossprojekte mit sozialverträglichen Wohnungen werden bewilligt.

Wer also nicht von Verbilligungen profitieren kann, hat bald nur noch Zugriff auf ca. 58 Prozent der Stadtwohnungen. Der Markt und die städtisch verordnente Verknappung wird zu einer entsprechenden Preisentwicklung führen. Wenn der Immobilienmarkt so funktioniert, kann man davon ausgehen, dass nötige Renovationen und vor allem energetische Sanierungen bei älteren Bestandesliegenschaften auf die lange Bank geschoben werden. Denn auch ohne diese werden sie eine konfortable Rendite haben.

Diese Entwicklung wird zu einer gesellschaftlichen Veränderung in der Stadt führen wird. Wenn dann noch das beim Kauf immer üblilcher werdende Bietverfahren zur Usanz wird, dann erhöht sich die Problematik. So muss der Masterplan der aktuellen Sozialregierung, die in jedem Mieter einer verbilligten Wohnung einen potenziellen Wähler sieht, kritisch hinterfragt werden.

Wenn die Chance auf eine günstige Wohnung steigt, indem man seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit reduziert, ist das ein für die Stadt Zürich fragwürdiger Anreiz. Langfristig verzerrt sich das Bild der Bevölkerungsdurchmischung, und es drohen Steuereinbussen.

Aufgepasst, das alles kommt zur Vorlage

Die systematischen Eingriffe in den Immobilienmarkt seitens der Stadt werden noch deutlich grösser und folgende Themen werden am 25. Mai 2022 als Vorlage in den linksgrünen Stadt- und Gemeinderat gelangen.

Bis dahin kann sich jeder öffentlich zu diesen Plänen äussern. Es empfiehlt sich, dies auch zu tun. Damit kann man Einfluss auf die im Moment sanft wirkenden, aber doch drastischen Eingriffe in die persönliche Freiheit und unser liberales Gesellschaftsverständnis nehmen, respektive Stellung beziehen.

Die aktuellen Sommersperrungen einiger Quartierstrassen verlagern den Lärm und Verkehr auf die umliegenden Strassen. Die steigende Lärmbelastung wurde als baureduzierende Konstante identifiziert. Nun sollen dazu 30er Zonen auf den Hauptverkehrsachsen eingeführt werden. So wird das Auto planmässig aus der Stadt verbannt. Viele Wohnbauten verfügen pro Wohneinheit nicht mal mehr einen Parkplatz.

Soll man dem Begehren des Stadtrats bei den Neubauten einen Mindestanteil an günstigen Wohnungen einzuplanen, stattgeben? Bei einer Aufzonung oder einer Arealüberbauung mit Mehrausnützung wird dies zur zwingenden Vorgabe und somit können dort nur noch preisgünstigen Wohnungen erstellt werden. Die Vorgaben zur Vergabe dieser Wohnung sind dann die Regel «Zimmer-1 = Mindestanzahl Bewohner» und auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Bewerber müssen genau geprüft werden. Somit wird die Stadt zum «Big Brother is watching you». Wer als junger Mensch im Beruf befördert wird und deshalb mehr verdient, muss damit rechnen, dass er aus seiner Wohnung plötzliche ausziehen muss.

Machen wir es Investoren doch bitte noch ein bisschen schwerer

Das Gesetz zur Mehrwertabgabe ist derzeit in Arbeit und sieht vor, dass in der Stadt Zürich entgegen dem kantonalen Mindestansatz von 20 Prozent das Doppelte, also satte 40 Prozent als Abgabe fällig werden soll. Dieser wird zur Anwendung kommen, wenn nach einer Arealüberbauung oder einer Aufzonung die Mehrausnützung realisiert wird.

Das grosse Problem ist die Berechnung dieses Mehrwerts. Die Berechnung der Grundstückgewinnsteuer wird zu Unstimmigkeiten führen. Die Immobilienentwickler werden in Zukunft noch mehr überlegen, ob sie ihre nächste Renditeliegenschaft in der Stadt erstellen wollen. Diese ganze Entwicklung wird nicht zu attraktiven Mieten für den Mittelstand beitragen.

Wie verhält es sich, wenn Stockwerkeigentum begründet wird, statt dass Mietwohnungen gebaut werden. Mit dem Anteil von nur gerade 9 Prozent am Wohungsbestand in der Stadt liegt sie deutlich hinter der schweizweiten Wohneigentumsquote von 40 Prozent. Es besteht demnach ein grosser Aufholbedarf. Ob soviel Autonomie der Bürger auch erwünscht ist, ist nicht klar.

Der Gemeinderat möchte zukünftig private Innenhöfe, Gärten und Dachlandschaften öffentlich zugänglich machen, was auch wieder ein pikanter Eingriff in die Eigentumsrecht ist. Diese Entscheidung wird die Gerichte in Zukunft beschäftigen.

Noch nicht zu spät

Mit all den beschlossenen und geplanten Massnahmen werden die Preise weiter steigen und der Mittelstand wird sich die Wohnungen nicht mehr leisten können. Am Schluss verbleiben Geringverdienende zusammen mit den reichen Privilegierten in der Stadt.

Eigentlich müsste ein Aufschrei durch den Mittelstand gehen. Doch dieser ist bis jetzt ausgeblieben.

Doch noch ist es nicht zu spät, um an der Urne dafür zu sorgen, dass Zürich eine Stadt für alle bleibt.

Christina Maron, Operations & Marketing, Mitglied der Geschäftsleitung Ginesta Immobilien/Goldküste24