Zwei Volontärinnen erklären im Gespräch, was ihnen die Freiwilligenarbeit bei der Nachbarschaftshilfe bedeutet.
Was ist, wenn eine Person sich das Bein bricht und nicht einkaufen gehen kann? Oder eine betagte Person froh wäre, wenn sie von jemandem zum Arzt begleitet wird? Menschen brauchen immer mal wieder Hilfe. Manchmal erhält jemand diese von Seiten der Familie, von Freunden oder den Nachbarn. Was ist aber, wenn Familie und Freunde in weiter Ferne sind, die Nachbarn keine Zeit haben oder jemand diese schlichtweg nicht kennt? Dann können sich hilfesuchende Personen bei der Nachbarschaftshilfe der Stadt Schaffhausen melden. Diese gehört zum Betreuungsangebot der Stadt, die mit Freiwilligen zusammenarbeitet, die bereit sind, in ihrem Wohnquartier Zeit für andere Menschen aufzubringen. «Jede Person, egal welchen Alters, die Hilfe braucht, kann die Nachbarschaftshilfe in Anspruch nehmen», erklärt Susanna Kuhn von der Koordinationsstelle Alter der Stadt Schaffhausen. Seit August ist sie für die Organisation der Nachbarschaftshilfe zuständig. Nicht nur ältere Personen können vom Freiwilligendienst profitieren, sondern auch jüngere, die beispielsweise wegen einer Verletzung bei kleineren Besorgungen im Alltag Unterstützung brauchen.
Vereinsamung entgegenwirken
Wie es der Name bereits sagt, beschränkt sich die Nachbarschaftshilfe auf Hilfeleistungen im eigenen Wohnquartier, die auch Nachbarn füreinander tätigen. Einerseits geht es um Begegnungen, bei denen Personen beim Spazieren begleitet werden, zusammen Spiele gespielt werden, ein Kaffee getrunken oder einfach ein wenig geplaudert wird. Andererseits gibt es punktuelle Unterstützung wie beispielsweise Hilfe beim Blumengiessen, mit dem Hund spazieren gehen oder die Erledigung von kleineren Besorgungen. Pflegerische Tätigkeiten gehören jedoch nicht zum Aufgabenbereich des Freiwilligendienstes.
Im Coronajahr war die Nachfrage für Nachbarschaftshilfe rückgängig, da der Kontakt aus bekannten Gründen so gut wie möglich vermieden werden musste. Nichtsdestotrotz zeigten die Volontärinnen und Volontäre ein grosses Herz und griffen unter anderem zum Telefonhörer, um mit ihren Klienten zu plaudern und so der Vereinsamung ein wenig entgegenzuwirken. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer wenden laut Susanna Kuhn durchschnittlich eine bis vier Stunden pro Woche für die Nachbarschaftshilfe auf – und das unentgeltlich. In der Stadt Schaffhausen gibt es 56 Volontärinnen und Volontäre. Zwei davon sind Martha Pochon, Koordinatorin der Nachbarschaftshilfe im Quartier Breite, sowie Annelie Schwenke.
Eine Freude bereiten
Doch was bewegte die beiden Schaffhauserinnen freiwillige Helferinnen zu werden? Beide Frauen waren früher im Gesundheitswesen tätig und wollten sich nach ihrer Pensionierung noch weiterhin für andere Menschen einsetzen. «Ich fühle mich damit noch gebraucht. Es ist für einen selbst auch eine grosse Befriedigung, wenn jemandem eine Freude bereitet werden kann», meint Martha Pochon, die nun seit vier Jahren bei der Nachbarschaftshilfe ist. Wie sie erzählt, erlebe sie mit den Klientinnen und Klienten sehr viele schöne Momente. «Zudem wird der soziale Kontakt gepflegt», fügt Annelie Schwenke hinzu. «Es ist eine schöne Sache, Leute zu begleiten, ihnen zuzuhören. Sie haben immer Freude.» Beide sind sich einig: es entstehen dabei auch Freundschaften, die über den Freiwilligendienst in der Nachbarschaft hinausgehen. Wichtig sei, dass die Volontärin oder der Volontär zwar mit Herzblut dabei sei, aber sich zeitlich trotzdem Grenzen setze.
Um sich für die Nachbarschaftshilfe zu engagieren, brauche es auf alle Fälle eine soziale Ader, meint Susanna Kuhn. «Je nach Tätigkeit geht die Helferin oder der Helfer eine Langzeitbeziehung ein.» Darüber müssten sich alle Freiwilligen bewusst sein. «Ich war oft mit einem Klienten spazieren. Seit ein paar Jahren lebt er in einer Alterswohnung. Ich besuche ihn aber weiterhin immer wieder und gehe gerne mit ihm Kaffee trinken», erzählt Annelie Schwenke.
Eine Helferin oder ein Helfer sollte grundsätzlich empathisch sein und Menschen gernhaben, fügt Martha Pochon hinzu. Ansonsten sei jede Person willkommen, sich bei der Nachbarschaftshilfe einzubringen. Die Koordinatorin klärt dann ab, wie oft eine Person ihre Hilfe anbieten will und welche Dienstleistungen sie durchführen kann. Martha Pochon ist als Koordinatorin dafür verantwortlich, die richtigen Freiwilligen und Klienten zusammenzubringen. «Beim Erstbesuch bin ich dabei und schaue, ob die Chemie zwischen den beiden stimmt. Dann geht eine Freiwillige individuell für ein bis zwei Stunden pro Woche zu einer Person nach Hause beziehungsweise bietet ihre Unterstützung an.»
Sichere Insel schaffen
Die Nachbarschaftshilfe der Stadt Schaffhausen gibt es seit 1984. Ursprünglich war der Freiwilligendienst als Überbrückungshilfe gedacht, die so lange Unterstützung anbietet, bis für die betreute Person eine Lösung gefunden wurde oder sie wieder selbstständig war. Mit den heute zahlreichen professionellen Institutionen wie der Spitex oder dem Rotkreuzfahrdienst hat sich die Idee der Nachbarschaftshilfe ein wenig verlagert, und zwar wesentlich zur Begleitung und Unterhaltung von älteren oder beeinträchtigten Personen oder Unterstützung bei punktuellem Bedarf. Der Dienst wird von der Stadt finanziert und fachlich begleitet. Er wird in allen Quartieren der Stadt sowie in Neuhausen angeboten. Als Dankeschön wird für die Volontärinnen und Volontäre jährlich ein Jahresabschlussessen sowie eine Weiterbildung organisiert.
Die Gesellschaft verändert sich stetig, ist schnelllebiger geworden. «Darum ist es so wichtig, dass wir die Freiwilligenarbeit machen, uns wirklich Zeit nehmen und der Person zeigen, dass wir gerne vorbeikommen», so Martha Pochon. Damit wird für die Menschen, die Hilfe brauchen, eine sichere Insel geschaffen.