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Schweiz
31.07.2023

«Sysiphus» rollt jetzt in Fisibach

Mit Spannung erwartet: Per Seilbagger hat Herbert Marfurt die Kugel soeben auf ihre angestammte Bahn gehievt. Bild: Roger Suter
Die vom Flughafen bekannte Eisenplastik von Bernhard Luginbühl steht nun leihweise beim «Ebianum», am Radweg dem Rhein entlang nach Zurzach. Sofern man rechts am Fenster sitzt, kann man sie auch vom Flugzeug aus entdecken.

Roger Suter

Man hat Erbarmen mit Sisyphos, dem schlauen König von Korinth im alten Griechenland, der mehrmals die Götter übertölpelt haben und so sogar zweimal dem Tod entronnen sein soll. Zur Strafe – wofür, ist nicht genau überliefert – musste er einen schweren Stein einen Berg hinaufbefördern, der dann kurz vor dem Gipfel wieder hinunterrollte. Wenn es damals in Griechenland so heiss war wie heute, war das tatsächlich ein Knochenjob. Dieser Sysiphus hingegen verfügt über einen Motor. Das Werk des Berner Eisenplastikers Bernhard Luginbühl stand ab 1977 auf der Zuschauerterrasse des Flughafens Zürich. Und als hätte er es schon bei dessen damals dritter Erweiterung vorausgesehen: Auch ein Flughafen ist wie die Arbeit des griechischen Königs nie ganz fertig.

Ebenfalls in griechischer Manier hub das Werk ab 2000 zu einer Odyssee an: Beim Bau des neuen Airside-Centers und der Neugestaltung der Zuschauerterrasse war es im Weg und fand einen neuen Platz beim Operation-Center. 2017 musste es der nun im Bau befindlichen Gepäcksortieranlage weichen, wurde demontiert und so neben der Panzerpiste hinter der Rega gelagert.

Ein ziemlich spontaner Entscheid

Das wiederum bedauerte Heinz Eberhard vom gleichnamigen Baugeschäft, der auf dem Rohrhof unweit des Flughafens («damals unser grosser Sandhaufen») aufgewachsen war. «An einem der regelmässigen Flughafen-Apéros habe ich dessen damaligen Chef Stefan Widrig darauf angesprochen», erzählt er vor der erneuten Inbetriebnahme vergangenen Donnerstag. «‹Wieso? Wotsch en?› fragte der zurück, und so kam die Sache ins Rollen.» Bruder und «Museumsdirektor» Hansruedi Eberhard wählte einen Platz am Rand des Überlauf-Parkplatzes beim Ebianum, dem firmeneigenen Baumaschinenmuseum in Fisibach AG, direkt am Radweg Richtung Kaiserstuhl und Zurzach, liess ein Fundament erstellen und organisierte im April den Transport  der zwölf Meter langen, viereinhalb Meter breiten und sechs Meter hohen Installation, die dazu in drei Teile zerlegt wurde.

Kürzlich setzte dann Baggerführer Herbert Marfurt mit seinem Seilbagger Jahrgang 1965 die mehrere hundert Kilo schwere Stahlkugel auf ihre gewohnte Bahn. Auch das ist für ihn nichts neues: «Mit etwas einer etwas kleineren Kugel am Haken haben wir früher Häuser abgerissen», erzählt der pensionierte, aber noch immer leidenschaftliche Baggerführer, der die Baumaschine seinem damaligen Arbeitgeber abgekauft hat.

Gespannt wartet das kleine Grüppchen aus den Brüdern Eberhard, Arthur Tobler, dem Leiter Architektur und Projekte und weiteren Flughafenmitarbeitenden, Nachbarn und Medienleuten darauf, ob Sysiphus seine Arbeit wieder aufnimmt. Und siehe da: mit einem leisen Klackern setzt sich der originale, lediglich revidierte Motor in Betrieb und damit die Chromstahlkugel in Bewegung. Sie rollt langsam ans eine Ende ihrer Bahn, während der Motor dieses bereits anhebt, damit sie ans andere zurückkullern kann.

Ein ausgeklügelter Mechanismus mit einem Rad, einer Noppe darauf und einem kleinen Schalter löst dies jeweils eine einstellbare Verzögerung aus. «Derzeit sind es drei Sekunden», erläutert Niko Meier, Elektriker bei der Firma Eberhard, und deutet auf einen Drehschalter im Steuerungskasten. «Und so scheint es zu klappen.» Das Problem: bei einem falschen Intervall könnte sich die Kugel wortwörtlich hochschaukeln und irgendwann von ihrer Bahn purzeln – die im Übrigen etwas wackelt, wenn die über 700 Kilo drüberrollen.

Im Gegensatz zum griechischen Sisyhpus ist die Arbeitszeit der Eisenplastik begrenzt: Sie wird aus Rücksicht auf die Mechanik nicht dauernd in Betrieb sein. Auch der Standort ist nicht für ewig: Sie ist eine Leihgabe des Flughafens für zehn Jahre. Was danach kommt, ist noch offen.

Roger Suter/Zürich24/Goldküste24