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Küsnacht
07.08.2025
08.08.2025 07:40 Uhr

Panne bei Lancierung des «Küsnachter Boten»

Sahen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr: die Produzentinnen des «Küsnachter Boten» Bild: zVg
Am Donnerstag erschien die neue Lokalzeitung «Küsnachter Bote» zum ersten Mal. Doch nicht alle Haushalte der Gemeinde bekamen die Publikation aus Zollikon auch wirklich zu Gesicht.

Die traditionsreiche Dorfzeitung «Küsnachter» ist Geschichte. Nach einer umstrittenen Ausschreibung ging der Zuschlag überraschend an die Zolliker Fröhlich Info AG, ein Schritt, der in der Seegemeinde für Stirnrunzeln sorgte. Aber seit Donnerstag werden die amtlichen Mitteilungen im neuen «Küsnachter Boten» publiziert.

Die Küsnachter Forch vergessen

Allerdings schaffte es die Zeitung nicht in alle Haushalte. Im Küsnachter Teil der Forch kam die Zeitung nicht an. Ob es ein Versäumnis der Post war, oder ob die neue Herausgeberschaft nicht weiss, dass die Gemeinde auch die semi-alpine Regionen am Küsnachter Berg umfasst, ist ungewiss.

Keine politischen Inhalte, kein Sport

So oder so kann die Publikation auch inhaltlich nicht restlos überzeugen. Viele Themen bleiben an der Oberfläche, politische Inhalte fehlen – und auch der kürzliche Aufstieg des FC Küsnacht ist kein Thema. Überhaupt ist die Rubrik «Sport» ganz vergessen gegangen. In einer Gemeinde mit grosser Affinität zur Leibesertüchtigung schwer nachvollziehbar.

Bäume, Bäume, Bäume

So widmet sich das erste Editorial der neuen Redaktion unter der Leitung von Dörte Welti den Küsnachter Bäumen – 2500 an der Zahl, deren Pflege offenbar mehr journalistisches Interesse weckt als die Hintergründe des Verlagswechsels. Dass Welti, ehemals Chefredaktorin der krisengeschüttelten «Maurmer Post» und Wanderarbeiterin in Sachen Provinzjournalismus, die Vorgänge rund um die Übernahme ausspart, passt ins Bild: Kritische Distanz zur Auftraggeberin Gemeinde scheint nicht oberste Priorität zu haben.

Der Gemeindepräsident am Schaltpult

Die frühere Herausgeberin, die Lokalinfo AG – ein Medienarm des Frey-Imperiums (SVP) – erhielt laut internen Unterlagen 200’000 Franken jährlich. Nun zahlt Küsnacht «nur» noch 109’000 Franken für die amtlichen Publikationen – ein Preisunterschied, der laut Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP) entscheidend für die Vergabe gewesen sei. Dass Ernst sich zuvor intern über die Lokalinfo-Chefredaktorin Manuela Moser beschwert hatte, deren kritische Berichterstattung unbequeme Fragen aufwarf, wird offiziell als Zufall abgetan.

Parallelen zu Maur

Auch im benachbarten Maur haben ähnliche Konstellationen das Vertrauen in lokale Medien erschüttert. Dort führte FDP-Gemeindepräsident Yves Keller die «Maurmer Post» an den Rand des publizistischen Offenbarungseids. Nach politischen Interventionen und unsauberer Rollentrennung zwischen Redaktion und Gemeindeverwaltung landete der Fall gar vor dem Bezirksrat.

Einfluss der Gemeinde wächst

Die Parallelen zu Küsnacht sind nicht zu übersehen. Die neue Verlagsleiterin Rafaela Devonas-Eberle – selber Tochter eines früheren FDP-Vorstandsmitglieds – schweigt zu wichtigen Fragen: Weder zur Besetzung des neuen Redaktionsbeirats noch zur redaktionellen Unabhängigkeit gibt es transparente Antworten.

Fader Beigeschmack

Was bleibt, ist ein fader Beigeschmack: Die Küsnachter Dorfzeitung wird fortan quasi Ferngesteuert, der Einfluss der Gemeinde wächst trotzdem – und der Journalismus scheint dabei auf der Strecke zu bleiben.

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